Full text: Thüringer Sagen (Abteilung 1, [Schülerband])

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Krallentatzen zum Sprung sich niederduckte und mit seinem Schwanze 
die Erde peitschte. 
Der Landgraf aber reckte die Faust gegen den Löwen, trat ihm 
kühn und unerschrocken entgegen und rief festen Mutes mit lauter 
Stimme: 
Zurück! Leg dich nieder! Gehorche!“ 
Alsbald legte sich der grimmige Löwe vor ihm nieder wie ein 
zahmes Hündlein und wedelte mit seinem Schwanze. 
Der Türmer hatte in seiner Stube das Löwengebrüll und des 
Herrn gewaltige Stimme gehört, trat auf die Zinne und sah den 
Herrn und den Löwen. Er machte Lürm und rief das Gesinde und 
den Löwenwärter herbei. 
Schnell kamen die Männer alle herbei, zu helfen mit Schwertern, 
mit Stangen und Spießen. Doch der Landgraf gebot: „Ihr sollt 
dem Löwen, so es nur irgend geht, kein Leid tun.“ Da holten die 
Leute Stroh, wickelten es um das Ende der langen Stangen und 
zündeten die Wische an. Dann fuhren sie mit den Bränden auf 
den Löwen los um Auge und Bart herum. 
Kaum sah der Löwe das Feuer auf sich zufahren, als er voll 
Schrecken und Angst sich niederduckte, sich umdrehte und zurückrannte, 
zu sehen, wohin er vor dem feurigen Tiere entfliehen könne. Er fand 
die Tür des Käfigs offen und flüchtete dahinein und war froh, daß 
der Wärter die Tür wieder schloß, denn nun fühlte er sich wieder 
in Sicherheit. Aber noch lange zitterte er vor der ausgestandenen 
Angst an allen Gliedern. So wurde der Löwe wieder in seinen 
Käfig zurückgebracht. 
Der Wärter war sehr erschrocken, fiel auf die Erde nieder und 
bat den Landgrafen auf den Knieen um Verzeihung. Da verzieh der 
gütige Herr dem Diener, gab ihm aber ein anderes Amt und machte 
einen gewissenhaften Mann zum Löwenwärter. Der hat den Löwen 
nie wieder entkommen lassen. 
Zum Gedächtniszeichen ward am Burgtor ein Bild eingehauen, 
ein Mann, der mit einem Löwen kämpft. 
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