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ein Spital. In dieses nahm sie achtundzwanzig arme und hilfsbe—
dürftige Menschen auf. Wenn einer davon starb, so kam sogleich ein
anderer an seine Stelle.
Der Landgraf Ludwig war aber zu dieser Zeit nicht in Thüringen.
Er war mit dem Kaiser auf einem Kriegszuge nach einem fernen Lande
gezogen über die hohen Berge hinüber, nach Italien, wo die Zitronen
und die Apfelsinen wachsen. Weil nun Elisabeth alles hingab, was sie
nur konnte, da ärgerten sich die Diener und Amtleute, besonders über
den Wein, der ins Krankenhaus gebracht wurde zur Stärkung der alten,
schwachen Leute. Den wollten sie lieber selber trinken. Weil sie selbst
nichts dagegen tun konnten, da warteten sie, bis Ludwig aus dem
fremden Lande zurückgekehrt war. Dann aber traten sie vor ihn und
sprachen: „Elisabeth, die Landgräfin gibt alles den Armen. Sie wird
noch alles verschenken, was du hast.“
Da sah der Landgraf sie ernst an und sagte dann mit seiner
milden Stimme: „Das ist mir gerade recht. Sie mag immer geben
und armen Leuten Gutes erweisen. Wenn uns nur die Wartburg und
die Neuenburg verbleiben! Und ihr sollt dazu gar nichts mehr sagen,
denn ich weiß wohl aus der Heiligen Schrift, daß Gott, dem Herrn,
drei Dinge besonders wohlgefällig sind und auch bei guten Menschen
wohl bestehen:
„Eintracht unter Brüdern,
Liebe zu den Nebenmenschen,
Treue zwischen Mann und Frau.“
32. Elisabeths Rosen.
Die Diener aber ließen nicht Ruhe. Sie beobachteten Elisabeth,
wo sie nur konnten, und merkten bald, daß sie manchmal, wenn sie
mit einer vertrauten, treuen Dienerin hinunter ging, unter dem
Mantel verborgen allerlei hinabtrug, was die Armen zum Leben
brauchten: Fleisch, Brot oder Gemüse. Denn die Not war immer
größer geworden unter den Leuten, und viele mußten sich von Kräutern,
Wurzeln und wilden Früchten nähren oder sehen, wo sie das Fleisch
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