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287. Aus dem Leben Friedrich Wilhelms III.
Eylert.)
1. Der Knabe und der Lieutenant.
Als der König einmal, in eine einfache Offiziers- Uniform gekleidet, mit
einer seiner Töchter im Tiergarten spazieren geht, läuft ein armer Knabe, 6
der ihn nicht kennt, neben dem König her und bittet, ihm eine von den
kleinen Börsen abzukaufen, die er in großer Anzahl in dem vorgehaltenen
Körbchen trug Der fremde Herr weist ihn zurück; das Kind hört aber
nicht auf zu bitten: „Ach, Herr Lieutenant, kaufen Sie mir doch eine Bbrse
ahl Sie kostet nur sechs Groschen; und wenn Sie auch keine brauchen, dann 10
schenken Sie der schönen Mamsell eine, die sie am Arme haben““ Noch
einmal zurückgewiesen, seufzt der Knabe aus tiefer Brust: „Ach, nun haben
wir diesen Mittag nichts zu essen!“ — Jetzt steht der König still, nimmt
aus dem Körbchen sechs Börsen und reicht dem Kinde einen doppelten
Friedrichsdor. 15
Wie der Knabe das Gold sieht, spricht er: „Ach, gnädiger Herr Lieutenant,
geben Sie mir lieber Groschen, ich habe weiter kein Geld und kann darauf
nicht zurückgeben.“ Gerührt von der Ehrlichkeit des Kindes, das mit unschul—
digem, offenem Angesicht ihn ansieht, erkundigt er sich nach seinen Fanilien—
verhältnissen und erfährt, daß seine Mutter, die Witwe eines gewesenen 20
Feldwebels mit sechs noch unmündigen Kindern in einem Dachstübchen wohne
und sich kümmerlich vom Verfertigen kleiner Geldbörsen ernähren „Nun,“
sagte der vermeinte Lieutenant dann geh nach Hause und bring deiner
Mutter das Geld; ich will's ihr schenken“ Beglückt über die reiche Gabe,
saß eben die arme Familie bei ihrem einfachen, heute besseren Mitlagsbrote, 25
als zu ihrem Erstaunen ein königlicher Adjutant in das lleine, aber reinlich
gehaltene Zimmer trat, den Zusammenhang erzählte und sich erkundigte, ob
der Knabe in allem dem Könige auch die Wahrheit gesagt habe; und da sich
dies auch noch auf anderem Wege bestätigte, so ließ der Knig die jüngsten
Kinder in einem Waisenhause erziehen und bewilligte der Witwe eine jäͤhr- 30
liche Pension von hundert Thalern.
2. Der Markaner.
Ein ehemaliger Unteroffizier, Sondermann, Inhaber der silbernen Me—
daille, brachte selbst aus der Grafschaft Mark seinen groß und schön gewach⸗—
senen Sohn nach Potsdam zur Garde und zwei Jahre nachher wieder zwei 35
andre seiner wackern Jungen. Der König, dem diese Anhänglichkeit gefiel,
schenkte ihm diesmal vierzehn Friedrichsdor und freie Rückreise. Im nächsten
Jahre durch eine Stadt in Westfalen kommend, bemerkte der Koönig in der
drängenden Volksmenge einen Bauer, der sich durcharbeiten und Bahn machen
wollte, aber von einem Gendarmen abgehalten wurde. „Durchpassieren!“ 40
sagte der König. „Kenne den Mann! Wie geht's, Sondermann? „Mir
geht's gut; ich wollte nur Sie, Herr König, fragen, was meine Jungen in
Potsdam machen?“ — „Wird ihnen wohl gut gehen; habe nichts Nachteiliges
von ihnen gehört.“ — „Nun,“ sagte der Bauer treuherzig, „wenn Sie nach
Potsdam kommen, grüßen Sie sie schön von mir!“ — ‚Werd es besorgen.“ 45
Wirklich war der König kaum, wiewohl doch Wochen dazwischen lagen, in
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