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unterordnet, ist das Wohl seines Volkes." „Ein Herrscher soll als
ein Mensch angesehen werden, der dazu bestimmt ist, dem Elend
zu steuern, soweit nur seine Kräfte reichen." „Er soll der Vater
seines Volkes sein, die letzte Zuflucht aller Unglücklichen; er soll
Vaterstelle bei den Waisen vertreten und den Witwen beistehen; er
soll teilnehmendes Gefühl für den niedrigsten Armen wie für 'den
ersten Hofmann haben und gegen diejenigen freigebig sein, die von
aller Hilfe entblößt, keine Unterstützung als bei seiner Wohlthätigkeit
zu finden wissen." „Die Lebensgeschichte eines Fürsten soll ein
Verzeichnis der Wohlthaten sein, die er für sein Volk verbreitet
hat." „Der Fürst soll der Hebel des Glücks für seine Unterthanen
sein wie diese das Werkzeug seines Ruhmes."
Den hohen Aufgaben des Königtums entsprechen gleich hohe
Pflichten des Trägers der Königsgewalt; es sind Pflichten der
Arbeit, Pflichten der Selbstverleugnung, Pflichten des Opfermutes.
„Die, welche die Menschen beherrschen, müssen die Menschen durch
ihr Beispiel überzeugen." „Ein Fürst rechter Art ist nicht da zum
Genießen sondern zum Arbeiten." „Nicht die Gedanken sondern
die Handlungen der Fürsten machen die Menschen glücklich." Das
Oberhaupt des Staates ist zugleich der erste Diener des Staates.
Sein Wissen und Können, sein Wollen und Thun gehört seinem
Volke. „Wirklich große Fürsten haben stets ihr eigenes Ich vergessen,
um nur an das Gemeinwohl zu denken."
Die erste der fürstlichen Pflichten ist die Rechtspflege. „Das
kostbarste Pfand, welches den Händen der Fürsten anvertraut worden,
ist das Leben ihrer Unterthanen. Ihr Amt verleiht ihnen die Ge-
walt, den Verbrecher zu verurteilen oder Gnade walten zu lassen.
Aber diese höchste Gewalt sehen alle guten Fürsten gewiß für die
drückendste Last ihrer Krone an. Sie wissen, daß auch sie nur
Menschen sind wie die, über welche sie das Urteil über Leben und
Tod sprechen sollen. Sie wissen, daß Kränkungen, Unrecht, Belei¬
digungen aller Art sich in dieser Welt wieder gut macheu lassen,
aber nur ein übereiltes Todesurteil nicht, wenn es einmal vollzogen
ist. Sie sind daher nur strenge, um eine noch drückendere Strenge
zu vermeiden, die notwendig sein würde, wenn sie nachsichtiger ver-
führen." Der Fürst muß das Volk schützen und die Beamten
lohnen. Keiner will geben und alle wollen empfangen; der Fürst
muß die Lasten gerecht verteilen nach dem ungleichen Vermögen
der einzelnen.
Die zweite Pflicht ist die Verteidigung des Staates. Diese
Aufgabe ist eine so verantwortungsreiche, daß der Fürst dieselbe
nur sich selbst anvertrauen soll. Daher soll der Fürst Staatsmann