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dienst; es ging scharf her gestern und vorgestern; die Erholung wird uns
gut tun
Das eben Mitgeteilte ist nicht etwa ein halber Tag aus dem Leben
eines Bahnwärters, sondern nur ein auf die Neige gehender Tag mit seinem
Arbeitsstücklein. Die Arbeit des Bahnwärters — wir rechnen stillschweigend
den Signalwärter und Weichensteller ebenfalls hierher — ist vielseitig,
so einförmig sie auch aussieht. Bei regelmäßigem Verklehr und guter
Witterung macht sich am Ende die Sache noch, aber bei Betriesstörungen,
ungewöhnlichem Verkehr, Nebel, Schnee und Unwetter aller Art erfordert
sie die ganze Energie eines tüchtigen Arbeiters, eines Mannes der nicht
nur den Kopf, sondern auch das Herz auf dem rechten Flecke hat. Da
heißt es, auf der Lauer liegen und das Läutewerk hören, so stark auch der
Sturm brüllen mag. Da gilt es, das optische Signal scharf ins Auge fassen,
das das Gespenst des Nebels zu verzerren, zu verhüllen, unsicher zu machen
trachtet. Nicht erraten, sehen muß er, daß das Signal ein außergewöhnliches,
sehen, daß die Flügelstellungen der Signalflangen eine Hilfsmaschine verlangen,
oder den Zug, der auf dem rechten Geleise kommen sollte, auf dem linken
ankündigen. — Da gilt es, lange in Wind und Wetter bei der Weiche stehen
und auch dafür sorgen, daß sie klappt, wenn der unpünktliche, durch Schnee—
wehen plötzlich aufgehaltene Zug plötzlich wie ein Dieb in der Nacht unter
heiserer Dampfpfeife eintrifft. Da gilt es, den Gedanken nicht einen Augen—
blick in die Zerstreuung des Lebens abschweifen zu lassen, sondern ihn ganz
und fest auf den Bahnkörper und seinen Zustand zu richten, der gerade in
dieser Jahreszeit und auf dieser Strecke gehütet sein will wie ein Kind.
Hier liegen die Schienen nicht fest wie auf Granit, sondern auf einem
Damm mit nachgiebiger Unterlage. Dort veranlaßt das Einfickern des Wassers
in die noch nicht durch Futtermauern oder Anpflanzungen gebundenen Bö—
schungen Erdschlüpfe und ein Verschieben der Schienen, und hier wieder ist
eine quellige Stelle des Bahneinschnitts noch nicht durch Drainieren der Um—
gebung zum Trocknen gebracht worden. Unmerklich sickert das Wasser aus
dem Boden hervor, netzt die Schienen, gefriert und bildet allmählich einen
Eisklumpen, der ebensogut eine Ausgleisung veranlassen kann wie ein sturm⸗
gebrochener, auf den Bahnkörper geschleuderter Ast oder ein Felsstück, das
vom jähen Hang stürzte, oder von ruchloser Hand heimtückisch hinter dem
Rücken des Wärlers auf die Schienen gewälzt wurde
Der Lokomotivführer weiß nur zu gut, welche Bedeutung ein Bahn—
wärter hat. Ist dieser Mann auf seinem Posten, ein ganzer Mann, so kann sich
der Lokomotivführer auf ihn verlassen, und er schätzt seinen Wert nach Gebühr.
307. Auf der Mastchine.
„Um Urlaub bitt ich für einen Tag.
Mein Kind, das krank seit Wochen lag,
es starb! — Ich will's begraben!“
„Die Pflicht gebeut! Ihr wißt es,
Mann,
daß Krankheit nur Urlaub erwirken
kann.
Die Frau kann's Kind begraben.
„Ihr habt den Zug!“ — Der Di—
rektor geht.
Der Führer für einen Augenblick steht
mit wildverzweifelter Miene.
„Die Welt doch immer betrogen sein muß!
Was log ich nicht!“ — Und im raschen
Entschluß
tritt er auf die Maschine.