Object: Das Neunzehnte Jahrhundert (Bd. 3)

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Die neue Ära. 
Friedrich Wilhelm IV. und die preussische Volksvertretung. 
Friedrich Wilhelm IV. (1840—61) war hoch begabt, hatte 
sich ein reiches Wissen angeeignet, besass ein feines Kunstverständnis, 
viel Witz und hinreissende Beredsamkeit; aber ihm fehlte der klare 
Blick für die Aufgaben der Gegenwart. Er sehnte sich nach einer 
Wiederkehr früherer Zeiten; das Mittelalter mit der unbeschränkten 
Fürstenmacht, mit der Lehnstreue, den streng gegliederten Ständen 
des Adels, der Bürger und Bauern war seine Welt. 
Er war nicht der Mann, die deutsche Frage zu lösen. Je 
länger, je mehr verzichtete Preussen unter Friedrich Wilhelm IV. 
darauf, die ihm gebührende Stellung in Europa zu bewahren, und 
ordnete sich schwächlich den übrigen Grossmächten unter. 
Sehr gegen den Willen des Königs hat Preussen während der 
Revolution von 1848 und 1849 eine Volksvertretung erhalten, 
welche seinen Ansichten über die Gestalt einer Volksvertretung 
durchaus nicht entsprach. Dieselbe besteht aus zwei Vereinigungen, 
dem Herrenhaus und dem Hause der Abgeordneten; beide zusammen 
bilden den allgemeinen Landtag. Dem Herrenhaus gehören als 
erbliche Mitglieder an: die volljährigen Prinzen des königlichen 
Hauses, die Häupter der fürstlichen Häuser von Hohenzollern- 
Hechingen und Hohenzollern-Siegmaringen und die Häupter der 
ehemals reichsunmittelbaren Häuser in den preussischen Landen. 
Ausserdem hat die Krone auch den Häuptern anderer Familien den 
erblichen Sitz im Herrenhaus verliehen. Dazu kommen zahlreiche 
Mitglieder, die nur auf Lebenszeit dem Herrenhaus angehören: 
Vertreter des grossen Grundbesitzes, der grossen Städte, der Hoch¬ 
schulen und solche Leute, die das besondere Vertrauen des Königs 
gemessen. Das Haus der Abgeordneten wird vom Volke gewählt. 
Wilhelm I. und sein Plan einer Heeresreform. 
Am Ende seines Lebens wurde Friedrich Wilhelm IV. geistes¬ 
krank, und nun übernahm sein Bruder die Regierung, anfangs als 
Prinzregent, nach dem Tode des Bruders im Jahre 1861 als Wilhelm I., 
König von Preussen. Seine Gestalt war hoch und kräftig, sein 
Auftreten ritterlich und sicher, das Antlitz von grossen und schlichten 
Zügen, das blaue Auge gütig, frei und fest. Bei aller ungezwungenen 
und ungewollten Freundlichkeit, bei aller Milde gegen seine Um¬ 
gebung, bei aller Bescheidenheit und Heiterkeit war er doch stets 
der grosse Herr, geboren und herangebildet zum Befehlen. Er war 
fromm und wohlthätig, sparsam und bedürfnislos, ein Mann der 
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