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ist zu schlecht!“ Doch Prinz Wilhelm bestand darauf, daß er an
dem Spiel teilnehmen mußte.
2. Als nun aber die übrigen Knaben den Jungen neckten und
ihm das Mitspielen verboten, weinte der Barfüßer und sagte zum
Prinzen Wilhelm: „Ich möchte davongehen; denn die anderen wollen
mich nicht leiden.“
Da nahm unser Prinz eine ernsthafte Miene an und rief den
Prinzen Heinrich und den barfüßigen Knaben zu sich. Alsdann
kommandierte er: „Stillgestanden!“ Dann sprach er zu den hoch¬
mütigen Jungen: „Wenn es euch nicht paßt, mit diesem hier zu
spielen, so paßt es mir erst recht nicht, mit euch zu spielen.“
Dann steckte er den Säbel ein, sagte zu dem armen Knaben
freundlich Ade und verließ mit seinem Bruder Heinrich den Exer¬
zierplatz.
186. Aus der Jugend unserer Kaiserin.
Von Hermann Petrich.
Das Buch vom deutschen Kaiserpaar im Jubeljahr. Berlin 1906. S. 12.
nsere Kaiserin Auguste Viktoria hat ihre Jugendzeit zum größten
Teil auf dem Schloß zu Primkenau im schönen Schlesierland
verlebt. Eines Tages machte sie mit ihrer zweiten Schwester Luise
Sophie, der jetzigen Prinzessin Friedrich Leopold, einen Spazier¬
gang. Der Rückweg führte sie über einen Berg. Auf halber Höhe
trafen sie eine arme, alte Frau, die eine schwere Karre mit größter
Anstrengung vor sich herschob. Mühsam war sie bis hierher
gekommen, aber nun versagten ihr die Kräfte den Dienst. Keuchend
versuchte die alte Frau immer wieder, die Karre vorwärts zu
bringen; doch alle ihre Mühe war umsonst.
Als nun die beiden Spaziergängerinnen die Not der armen
Frau gewahr wurden, warfen sie sich einen Blick zu, als wollten
sie sagen: „Wozu sind wir denn unser zwei und jung dazu und
haben kräftige Arme?“ Und ehe die Alte noch recht wußte, wie
ihr geschah, wurde auf einmal ihre Karre von jugendlichen Armen
den Berg hinausgeschoben bis oben auf die Höhe. Vergebens
mühte sich die alte Frau, schnell hinterdrein zu kommen; denn
ihr scharfes Auge hatte wohl erkannt, wer ihr da so unerwartet zu
Hilfe gekommen war. Als sie aber endlich oben angelangt war
und ihren Dank abstatten wollte, waren die beiden freundlichen
Helferinnen schon längst verschwunden.