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leiden. Als die Feinde den letzten Taler von ihnen erpreßt hatten, kam ein
schwedischer Rittmeister und trieb ihnen noch das gesamte Vieh von der Weide
weg. (1640.) Das ganze Land verarmte, und es entstand eine furchtbare Hungersnot.
Das Fleisch der Katzen und Wölse wurde ein Leckerbissen. Dazu wütete die Pest.
Es gab Gegenden, z. B. im Havellande, wo die Dörfer meilenweit leer standen.
Berlin hatte nur noch 300 verarmte Bürger. (S. 152.) In Freienwalde, das
von seinen Bewohnern fast gänzlich verlassen war, wuchsen auf den Straßen die
Bäume und Fliederbüsche so hoch, daß man sich darin verstecken konnte.
2. Jugend. Friedrich Wilhelm wurde bald nach dem Ausbruche des 30jäh¬
rigen Krieges geboren. Als er 7 Jahr alt war, brachte ihn sein Vater, da er
ihn in Berlin vor den Schrecken des Krieges nicht sicher glanbte, nach der Festung
Küstrin. Hier lebte er mehrere Jahre und erhielt von trefflichen Männern Unter¬
richt. Als er 14 Jahr alt war, schickte thu seiu Vater nach Holland, damit er sich
dort weiter ausbilde. Die Holländer gehörten demselben religiösen Bekenntnis an
wie die Hohenzollern in Brandenburg: sie wareu reformiert. Auch herrschte
in Holland Sinn für Wissenschaft und Kunst. Das Land hatte eine vor¬
treffliche Universität (in Leyden) und berühmte Maler und Bildhauer. Handel,
Gewerbefleiß und Schiffahrt standen in großer Blüte. Dazu fand der junge Kur¬
prinz in dem weisen und tapferen Statthalter, dem Prinzen Friedrich Heinrich von
Dräniert, das Vorbild eines vorzüglichen Regenten. So wurde der Aufenthalt
hier für ihn von größtem Segen. Zuerst ging er nach Leyden, um sich den
Wisseuschasten zu widmen. Dann begab er sich in das Hauptquartier des Statt¬
halters, der gerade mit den Spaniern im Kampfe lag. Dieser Fürst führte ihn
besonders in die Kriegskunst ein. Auch uach der Residenz Hollands, dem
üppigeu Haag, kam der Kurprinz. Als man ihn hier zn einem ausschweifenden
Leben verführen wollte, fagte er: „Hier ist mein Platz nicht. Ich bin es
meinen Eltern, meiner Ehre und meinem Lande schuldig, Haag sogleich
zu verlassen." Dann reiste er wieder zu dem Prinzen von Oranien, der gerade
Breda belagerte. Dieser freute sich über den tugendhaften Jüngling und sprach:
„Vetter, Eure Flucht beweist mehr Heldenmut, als wenn ich Breda nehme. Wer
sich schon so früh selbst zu besiegen weiß, dem wird das Große stets gelingen."
b. Weitung seines Landes vor völligem Untergänge.
1. Waffenstillstand mit den Schweden. Noch nicht 20 Jahre alt, bestieg
Friedrich Wilhelm den Thron. Um seinem Lande die Kriegslasten zn erleichtern,
schloß er einen Waffenstillstand mit den Schweden. Doch behielten sie Pommern,
das durch Erbschaft an Brandenburg gefallen war, in Besitz.
2. Bildung eines stehenden Heeres. Die wichtigste Tat des Kurfürsten
war, daß er sich ein eigenes Heer schuf. Die Offiziere in seinen Festnitgen hatten
nämlich nicht ihm, sondern dem Kaiser als dem Verbündeten seines Vaters den
Eid der Treue geschworen. Ihm selbst waren sie nebenher nur durch Handschlag
verpflichtet. Er schrieb deshalb einmal: „Ans der einen Seite habe ich die Krone
von Schweden, auf der anderen den Kaiser. Ich sitze zwischen ihnen und erwarte,
was sie mit mir anfangen." Einige der Offiziere verweigerten ihm geradezu den
Gehorsam. Das mußte anders werden, wollte er Herr im Lande sein. Er forderte
deshalb, daß sich die Offiziere ihm durch einat Eid verpflichten sollten. Das tat
jedoch nur der Kommandant von Küstrin. Die übrigen Offiziere verweigerten ihm
den Eid. Da entließ sie der Kurfürst, löste ihre Regimenter größtenteils auf und
ließ fortan die Truppen in feinem Namen anwerben. Bis dahin waren die
Kahnmeyer u. Schulze, Geschichte für Knabenschulen. III. 10