Full text: Lesebuch für das zweite Schuljahr

so böse auf die Sperlinge sei. „Ach“, sagte Haunchen, „die Sperlinge 
sind recht garstig; seit der Vater eines Abends das schöne Silber heim— 
gebracht hat, schimpfen sie den Vater, und rufen schon früh des Morgens: 
Dieb! Dieb! Dieb! Das will der Vater nicht mehr leiden.“ 
Der kleine Paul erzählte weiter, daß die Sperlinge so garstig 
wären, und den Schlosser einen Dieb schimpften. Das hörte auch der 
Amtmann, und vermuthete gleich, wer vor einem Jahre alles Silber 
aus der Kirche gestohlen hätte. Er forschte weiter nach, und der Dieb— 
stahl kam zu Tage, nicht durch die Sperlinge, sondern durch des Schlossers 
böses Gewissen. 
32. Mitlleid. 
Ein Professor saß einmal in seinem Studierzimmer, da kam ein 
armer Handwerksbursche zu ihm und bat um eine Gabe. Der Professor 
sah ihn an, und bemerkte, daß er eine ganz zerrissene Hose anhatte. Er 
ging nach dem Kleiderschranke, holte eine ganz neue Hose heraus, und 
schenkte sie dem Handwerksburschen. 
Als nun der Sonntag kam, und die Schwester des Professors ihm 
die Sonntagskleider bringen wollte, fand sie die neue Hose nicht Da 
fragte sie: „Lieber Bruder, ich finde deine neue Hose nicht; wohin hast 
du sie gehängt?“ „Die habe ich einem armen Handwerksburschen ge— 
geben“, antwortete der Bruder. 
„Ei, warum hast du ihm denn nicht eine alte, schlechte Hose ge— 
schenkt?“ fragte sie, und der Professor erwiederte: „Liebe Schwester, 
eine alte, schlechte Hose hatte er schon.“ 
33. Wer belet nicht? 
Ein Bauer kam in ein Wirthshaus. Als sich die Gäste zu 
Tische setzten, faltete der Bauer die Hände und betete: „Komm Herr 
Jesu, sei unser Gast, und segne alles, was du bescheeret hast! Amen.“ 
Ein junges Herrchen hatte seinen Spott darüber, und sprach: „Bei 
Euch zu Hause betet wohl alles?“ Da antwortete der Bauer: „Nicht 
alles.“ Jener fragte wieder: „Wer betet denn nicht?“ Der Bauer 
antwortete: „Mein Ochse, mein Esel und meine Schweine gehen ohne 
Gebet an die Krippe.“ Da schämte sich der Jüngling und besserte sich. 
Wer ohne Gebet zu Tische geht, 
Und ohne Gebet vom Tische aufsteht, 
Der ist dem Ochs und Esel gleich 
Und hat kein Theil am Himmelreich.
	        
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