Full text: Lesebuch für das zweite Schuljahr

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34. Hundefreundschaft. 
Ein Herr hatte ein Hündlein. Einmal kam es zwischen die Thür— 
und zerbrach ein Bein. Da nahm es der Herr mit zu einem Freunde, 
welcher ein Wundarzt war. Obgleich nun dieser nur Menschen heilte, 
so that er doch seinem Freunde den Gefallen, und heilte auch dessen 
Hündlein. 
Einige Zeit nachher arbeitete der Wundarzt auf seiner Stube. 
Da pochte etwas an die Thür. Als er aufmachte, kam ihm das ge— 
heilte Hundchen entgegen. Es schleppte ein anderes Hündchen hinter 
fich her, welches auch das Bein gebrochen hatte, und gab auf alle Weise 
zu erkennen, daß es der Arzt auch heilen möchte. Der Arzt sprach: 
„Diesmal will ich es thun; aber komm mir nicht wieder; denn ich habe 
meine Kunst nicht für Hunde, sondern für Menschen gelernt.“ 
35. Der bekehrte DNieb. 
Ein vornehmes Fräulein wollte zu Bette gehen, und las vorher 
noch ein Abendgebet. Da wurde sie plötzlich noch zu einer kranken 
Freundin gerufen, und ließ das Gebetbuch aufgeschlagen auf dem Tisch— 
lein liegen. 
Ein Dieb hatte gesehen, daß das Fräulein noch spät aus dem 
Hause gegangen. Er nahm eine Leiter, und stieg in ihr Schlafkämmer— 
lein. Hier zundete er ein Licht an, und sah sich nach Kostbarkeiten um. 
Da fiel ihm das offene Gebetbuch in die Augen, und er las: „Lieber 
Gott! möchte ich diesen Tag doch ohne Sünde beschließen! Wie sanft 
würde mein Schlaf sein! Möchte ich auch mein ganzes Leben ohne 
Sünde beschließen, wie sanft würde mein Tod sein!“ 
Diese Worte gingen dem Diebe zu Herzen; er ließ alles stehen 
und liegen, eilte zum Fenster hinaus, und besserte sich. 
36. Wie Schneewittlchen im Sarge liegt. 
Die Zwerge wollten Schneewittchen begraben; aber es sah noch 
so frisch aus wie ein lebendiger Mensch, und hatte noch seine schönen 
rothen Backen. Sie sprachen: „Das können wir nicht in die schwarze 
Erde versenken. Da ließen sie einen Sarg von Glas machen, daß 
man von allen Seiten hindurch sehen konnte; nun legten sie Schnee— 
witichen hinein, und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen 
darauf, und daß es eine Königstochter wäre. Dann setzten sie den 
Sarg hinan auf den Berg und einer von ihnen blieb immer dabei und 
bewachte ihn. Und die Thiere kamen auch und bewachten Schneewittchen: 
erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein Täubchen. Nun lag Schnee—
	        
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