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„Kinder, wir alle müssen sterben. Der alte, schwache
Leib sinkt zusammen, ist todt, wird dann begraben und
verweset zur Erde. Aber in jedem Menschen ist etwas,
das stirbt nimmer; wir nennen das unsterbliche Wesen im
Menschen Geist oder Seele. Der Geist ist verborgen im
Leibe des Menschen. Wir können den Geist nicht schauen;
aber der Geist ist's: der die Sprache versteht, durch
den wir die Sprache erlernen. Mit dem Geiste kön¬
nen wir denken, können unterscheiden Gutes und Böses,
können den Glauben an Gott erfassen. Die geistige
Kraft ist's, durch die der Mensch so viel Schönes und
Niizliches schasst. Wenn der Leib nun stirbt, so zieht
der Geist hinauf über die Sterne zn Gott und lebt da
ewig; denn der Geist kann nie vergehen. Ewige Freude
und Seligkeit genießt der Geist des guten Menschen im
Himmel; aber der Geist des bösen Menschen gelanget
nicht zur himmlischen Seligkeit. — Der Mensch hat
einen unsterblichen Geist; der Geist des Menschen kommt
vor Gott, wenn der Leib stirbt. Gott ist gerecht:
er lohnet die Guten und strafet die Bösen."
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Die Kinder betrachteten das schöne Abendroth. Da
fragte Bertha den Vater: „Wohin ist jezt die Sonne?"
Der Vater antwortete: „Sie ist weit über Berge und
Meer und scheint jezt als Morgensonne in einem fer¬
nen Lande." — „ Wohnen dort auch Menschen?"
fragte Karl. „Freilich," entgegnete der Vater, „aber
sie sind zum Theil anders gestaltet als wir; da gibt es
Menschen mit brauner und mit schwarzer Haut." Bertha
fragte wieder: „Sorgt Gott auch für diese Menschen?"
— „Wohl," sprach der Vater, „er läßt ja seine
Sonne dort scheinen und gibt dem Felde Regen."
Karl sagte: „Aber, Vater! Gott ist doch da über uns;
kann er denn die Leute in dem fernen Lande auch sehen?"
Darauf sprach der Vater: „Kinder, Gott sieh/aus sei¬
nem Himmel in allen Ländern alle Menschen; er sieht
jezt mich und euch, und sieht Eltern und Kinder über
dem Meere; er hört aller Menschen Worte: ja, er