In der Hutfabrik.
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Die Weber wurden Grafen; ihr Wort galt weit und breit;
sie woben mit den Fürsten am Webestuhl der Zeit.
Doch bei den hohen Ehren, die ihnen Gott verlieh,
vergaßen auch die Grafen den armen Weber nie.
„Was hilft uns unser Weben?“ — so dachte stets ihr Herz —
„es kommt ja doch der Segen dazu erst himmelwärts.“
Drum nahmen sie ins Schilde die Lilien von dem Feld,
die spinnen nicht noch weben, und die doch Gott erhält.
Drei Brüder waren ihrer, die reichten sich die Hand;
Ulrich, Georg und Jakob, so waren sie genannt.
Die sprachen zueinander: „Die Güter dieser Zeit,
die müssen wir verrechnen einst in der Ewigkeit.
So laßt ein Werk uns gründen hier mit vereinter Kraft,
womit wir mögen geben Gott einstens Rechenschaft!“
Zu Augsburg bei St. Jakob, da hub ein Graben an,
ein Zimmern und ein Mauern von manchem Handwerksmann.
Mit hundert kleinen Häusern ein Städtlein stieg empor
mit Brunnen und mit Straßen und seinem eignen Tor.
Und als das Werk vollendet, da weihten es die drei,
daß armen, frommen Bürgern es eine Wohnung sei.
Und was die drei gesprochen, das schrieben sie auf Stein;
den Söhnen und den Enkeln sollt’ es ein Vorbild sein.
Sie bauten für sich selber ein Häuslein auch dazu,
das lieget bei St. Anna; dort ist der Fugger Ruh’.
Wohl kamen arge Zeiten, St. Anna ward zerstört;
nun wird auf ihrem Grabe die Mess’ nicht mehr gehört.
Doch in der Armen Herzen wird ihrer noch gedacht
im Städtlein, das sie milde dem Herren dargebracht. —
Das Glück dreht sich im Kreise; es kommt und geht vorbei;
der Fugger Namen preiset noch heut die Fuggerei. Guido Görres.
35. der ßutfabrik.
Es war im Sommer 1867. Paris gab das große Fest der internatio¬
nalen Ausstellung. Von allen Weltteilen waren Gäste herbeigeeilt, den
großen Tempel zu besuchen, den man der menschlichen Intelligenz errichtet
hatte, jenes ovale Gebäude aus Eisen und Glas, in dessen Inneren sich die
Wunder der Neuzeit ein Stelldichein gegeben hatten, die tausend und aber
tausend Erzeugnisse der auf dem friedlichen Gebiet der Kultur um die Sieges¬
palme ringenden Völker.
Jeder Gang durch das Ausstellungsgebäude oder durch den Park führte
zu neuen Entdeckungen; von allen Seiten stürmten neue überraschende Ein¬
drücke auf den Wanderer ein; die Sinne wurden gefangen genommen, wie
von einer Fata morgana, nur mit dem Unterschiede, daß die Bilder, die sich
hier dem Auge darboten, nicht in leichten Wolkendunst zerstoben, sondern
greifbaren, wirklichen Gegenständen angehörten und unverändert dieselben
blieben. Trotzdem aber kamen Stunden und Tage, an denen die Lust zum
Schauen nur gering war; es trat eine Art von Ermüdung ein, gegen die es