Full text: Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung

I. Lebensbilder. 
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Maschine, das Geld zur Bezahlung der Steuern, der Miete, der Gehalte 
der Angestellten, der Löhne, der Arbeiter und Dienstboten, der Sämereien 
zur Einsaat, und die vielen unvorhergesehenen Ausgaben. 
Jetzt kommt aber eine schwere Frage. Ist ein Wagen ein stehendes 
oder umlaufendes Kapital! 
— „Ein umlaufendes Kapital." 
— „Ihr urteilt nach dem Anschein. Ehe man sich aber darüber 
entscheiden kann, muß man wissen, wozu der Wagen dient. Erfahre ich, 
daß er einem Wagenfabrikanten gehört, so weiß ich, daß es eine Ware 
ist, also ein umlaufendes Kapital, denn er geht von einem Eigentümer zum 
andern, von Hand zu Hand. Gehört er aber einem Lohnkulscher, so bildet 
er ein stehendes Kapital. Er ist das Werkzeug des Kutschers; mit Hülfe 
seines Wagens leistet er mir den Dienst, mich zu transportieren, welchen 
Dienst ich ihm bezahle. Wenn aber nun der Wagen einem reichen Be¬ 
sitzer gehörte .... wer sagt mir, zu welcher Art des Kapitals er zu 
rechnen ist?" — 
Niemand antwortete. 
„Ihr seid in Berlegenheit zu antworten," fuhr der Lehrer fort, „und 
das mit Recht; ein Wagen zum Vergnügen, ein Lupuswagen ist keines¬ 
wegs ein Kapital, denn er producierl nichts. Er ist ein Gegenstand der 
Konsumtion. Der Eigentümer benutzt ihn so lange, bis er unbrauchbar 
geworden ist, was man ebenfalls konsumieren nennt. Das Wort konsumieren 
bedeutet nicht bloß verzehren oder essen, sondern auch verbrauchen, 
ausnutzen." 
„In der That" warf Vater Reinhard dazwischen, „nennt man auch 
im Handel den letzten Käufer einer Sache den Konsumenten." 
„Noch eine andere Frage," sagte der Lehrer, „die Kenntnisse des Arztes, 
zu welcher Art von Kapital gehören diese? Ihr wundert euch, daß Kennt¬ 
nisse ein Kapital sein sollen. Aber sind seine Kenntnisse nicht das Werk¬ 
zeug für seine Arbeit? Mit Hülfe seines Wissens, seiner Kenntnisse heilt 
er euch, er schafft euch Gesundheit, und ihr zahlt ihm den euch erwiesenen 
Dienst mit Dankbarkeit und Vergnügen." 
Das Kapital des Arztes, des Advokaten, des Lehrers, des Ingenieurs 
ist ein geistiges, intellektuelles Kapital oder immaterielles und kann wie die 
meisten Werkzeuge zu den stehenden Kapitalien gerechnet werden. 
— „Das ist wirklich so," bemerkte Vater Reinhard. „Ich schicke 
meinen Sohn in die Schule und lasse ihn jahrelang lernen, was viel 
Geld kostet. Mein Sohn arbeitet und sammelt jeden Tag in seinem Kopfe 
zwar keine Fünfmarkstücke, aber nützliches Wissen und Kenntnisse. Nach 
einer gewissen Zeit kann er Nutzen davon ziehen. Jetzt begreife ich, daß 
Kenntnisse ebenfalls ein Kapital sind." 
— „Der Handwerker," schloß der Lehrer die Unterhaltung, „welcher 
seine Profession gründlich gelernt hat und geschickt ist, besitzt ebenfalls ein 
Kapital, nämlich seine Geschicklichkeit; denn man bezahlt ihn besser als den 
Ungeschickten und besser als den Tagelöhner, welcher nur den Dienst seiner 
beiden Arme bieten kann." Maurice Block.
	        
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