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Doch sieh, — das Mütterchen schluchzet voll Lust:
„Mein Sohn!“ und sinkt an des Burschen Brust.
Wie sehr auch die Sonne sein Antlitz verbrannt,
das Mutteraug hat ihn doch gleich erkannt.
Karl Josef Simrock,
geb. 28. August 1802 zu Bonn, lebt daselbst als Professor.
82. Warnung vor dem Rhein.
An den Rhein, an den Rhein, zieh nicht an den Rhein,
mein Sohn, ich rathe dir gut.
Da geht dir das Leben so lieblich ein,
da blüht dir so freudig der Muth.
Siehst die Mädchen so frank und die Männer so frei,
als wär es ein adlig Geschlecht;
gleich bist du mit glühender Seele dabei:
so dünkt es dich billig und recht.
Und zu Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön
und die Stadt mit dem ewigen Dom!
In den Bergen, wie klimmst du zu schwindelnden Höhn
und blickst hinab in den Strom!
Und im Strome da tauchet die Nix aus dem Grund,
und hast du ihr Lächeln gesehn,
und sang dir die Lurlei mit bleichem Mund,
mein Sohn, so ist es geschehn.
Dich bezaubert der Laut, dich bethört der Schein,
Entzücken faßt dich und Graus
nun singst du nur immer: „Am Rhein, am Rhein,“
und kehrst nicht wieder nach Haus.
83. Drusus Tod.
Drusus ließ in Deutschlands Forsten Jene Marken unsrer Gauen
goͤldne Römeradler horsten, sind dir nicht vergönnt zu schauen,
an den heilgen Göttereichen stehst am Markstein deines Lebens,
klang die Art mit frevlen Streichen. deine Siege sind vergebens.
Siegend fuhr er durch die Lande, Säumt der Deutsche gerne lange,
stand schon an der Weser Strande, nimmer beugt er sich dem Zwange,
wollt hinüber jetzt verwegen, schlummernd mag er wol sich strecken,
lin Weib ihm trat entgegen. schläft er, wird ein Gott ihn wecken.“
Uebermenschlich von Geberde Drusus, da sie so gesprochen,
drohte sie dem Sohn der Erde: eilends ist er aufgebrochen,
„Kuͤhner, den der Ehrgeiz blendet, aus den Schauern deutscher Haine
schnell zur Flucht den Fuß gewendet! führt er schnell das Heer zum Rheine.