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Friedrich Rückert, 
geb. 16. Mai 1789 zu Schweinfurt, gest. als preußischer Geh. Regierungsrath zu Neuseß bei 
Koburg 31. Januar 1866. 
55. Aus der Jugendzeit. 
Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit 
klingt ein Lied mir immerdar; 
o wie liegt so weit, o wie liegt so weit, 
was mein einst war. 
Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang, 
die den Herbst und Frühling bringt, 
ob das Dorf entlang, ob das Dorf entlang 
das noch klingt? 
„Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, 
waren Kisten und Kasten schwer; 
als ich wieder kam, als ich wieder kam, 
war alles leer!“ 
O du Kindermund, o du Kindermund, 
unbewußter Weisheit froh, 
vogelsprachekund, vogelsprachekund, 
wie Salomo! 
O du Heimatflur, o du Heimatflur 
laß zu deinem heilgen Raum 
mich noch einmal nur, mich noch einmal nur 
entfliehn im Traum! 
Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, 
war die Welt mir voll so sehr; 
als ich wieder kam, als ich wieder kam, 
war alles leer. 
Wol die Schwalbe kehrt, wol die Schwalbe kehrt 
und der leere Kasten schwoll; 
ist das Herz geleert, ist das Herz geleert, 
wirds nie mehr voll. 
Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt 
dir zurück, wonach du weinst; 
doch die Schwalbe singt, doch die Schwalbe singt 
im Dorf wie einst: 
„Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, 
waren Kisten und Kasten schwer; 
als ich wieder kam, als ich wieder kam, 
war alles leer.“ 
56. Abendlied. 
Ich stand auf Berges Halde, und sah, wie überm Walde 
als Sonn hinunter gieng, des Abends Goldnetz hieng.
	        
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