Full text: Durch die Welt voller Wonne und Jugendlust!

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Hochzeit. 
Gegrüßet sei Groß⸗ 
mütterlein, 
ind heut soll Herthas 
Hochzeit sein. 
Die Braut setzt just ihr 
Kränzlein auf, 
dans führt die Blumen 
schon zu Hauf. 
Ich selber geh mit diesem 
Strauß 
m Zug voraus ins 
Gotteshaus. 
Dort drüben an den 
Rosenhecken 
vird man die Hochzeits- 
tafel decken. 
Die Finken singen uns 
ein Liedel, 
und Kantors Fritzel 
spielt die Fiedel.“ 
Broßmütterchen hat still 
gelacht: 
An einen habt ihr nicht 
gedacht! 
Den Bräutigam vergaßt 
ihr ja!“ — 
Drauf spricht die kleine 
Erika: 
Ach, weißt du was, 
Großmütterlein: 
dannst du denn nicht mal 
Bräut'gam sein?“ 
Heinrich Bertelmann 
— 
Mai ist es wieder! 
Hört und schauet, Mai 
ist es, Mail! 
Nun duftet im Garten 
der Flieder, 
ꝛs singen die Vögelein 
wieder 
ind rufen: Ihr Kinder, 
herbei! 
Singt mit uns die fröh⸗ 
lichsten Lieder! 
Mai ist es ja wieder, 
sonniger Mai! 
Wer ruft den Frühling, 
wer ruft den Mai, 
äßt grün die Wälder 
sich schmücken, 
läßt farbige Blümlein 
uns pflücken, 
ehrt 's Vöglein die 
Melodei? 
Du Gott, der uns all' 
will beglücken, 
u rufst den Frühling, 
du rufst den Mai! 
Ferd. Maria Wendt 
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Kinderreim. 
Und als der Großvater 
die Großmutter nahm, 
da war der Großvater 
ein Bräutigam, 
ind die Großmutter war 
eine Braut, 
a wurden sie beide mit 
einander getraut. 
—— 
Was der Maikäfer 
Helene und Erna hatten einen Maikäfer eingefangen. Erst spielten 
die Mädchen mit ihm. Dann sprachen sie: Saa, was hast du auch alles 
chon erlebt? 
Meine Eltern, begann der Käfer, lebten auch auf euren Bäumen. Sie 
vurden nicht alt, und es sind gerade vier Jahre her, seit sie gestorben sind. 
Mein Vater, den ihr an den größeren Fühlhörnern erkennen konntet, wollte 
ich eines Abends ein Vergnügen machen. Summend flog er duͤrch die 
Straßen des Dorfes. Hier begegnete ihm eine räuberische Fledermaus und 
chnappte ihn hinweg. Da wollte es meiner Mutter nicht länger allein ge— 
'allen. Sie grub sich in die Erde ein, legte etliche linsengroße Eier und — 
tarb. Aus einem dieser Eier kroch ich nach einiger Zeit hervor. So habe ich 
neine Eltern selbst nie kennen gelernt, und was ich euch eben von ihnen sagte. 
'at mir ein älterer Vetter erzählt. 
Auch sah ich nicht immer aus, wie ich jetzt aussehe. Ich hatte in meiner 
Jugend die Gestalt einer Raupe und war von einer weichen, bräunlich-weißen 
Haut überzogen. Auf sechs schwachen Beinen bewegte ich mich fort. Mit 
einer kräftigen Freßzange nagte ich den ganzen Tag an den saftigen Wurzeln 
leinerer Pflanzen — herrliches Süßholz, das mir köstlich gemundet. Drei 
Jahre lang lebte ich in der dunkeln Erde, ohne von euch und euren Bäumen 
nit dem üppigen Frühlingsschmucke etwas zu wissen. Eines Tages aber er— 
fuhr ich von einem meiner Brüder, der schon mehrmals in der Ackerfurche 
inter dem Pfluge des Landmannes gelauscht hatte, daß wir hier oben viele 
Feinde haben, daß auch die Menschen uns böse sind und uns „Engerlinge“ 
niennen. Ich zitterte an allen Gliedern, als ich das hörte, und dachte, wenn 
ch nur immer verborgen hier leben dürfte. Plötzlich eilte ein unheimliches, 
schwarzes Tier auf mich zu. Es war unser Todfeind, der Maulwurf. Nur 
nit Mühe konnte ich ihm entrinnen und wagte mich von nun an nicht mehr 
ius meiner Wohnung hervor. Ich schlief fast ein ganzes Jahr an einem 
Stücke. Gerade als ich die Augen schloß, hörte ich meine Kameraden neben 
nir sagen: .Er verpuppt sich“ 
chon alles erlebt hat. 
Es ist noch nicht lange her, daß ich erwachte, und weil ich meine alten 
Wege nicht mehr kannte, schlüpfie ich mir nichts dir nichts in die Höhe. Ich 
veiß just nicht, wie es ging; aber endlich kam ich hinter einer Erdscholle her⸗ 
or. Meine Augen waren zwar noch blöde und konnten anfangs das grelle 
Tageslicht nicht gut ertragen. Doch öffnete ich sie immer wieder und be— 
aerkte auf einmal die zwei fächerförmigen Fühler an meinem Köpfchen. Gleich 
ürstete ich mir mit ihnen die Augen ab. Dann betrachtete ich mich ver⸗ 
vundert von Kopf bis zu Fuß; denn meine Farbe und meine Kleidung hatten 
ich sehr geändert. Statt der weichen Haut war ich — gleich einem Krieger — 
»on einem hornigen Panzer umgeben. Der war vorß schwarz und an den 
Seiten weiß getüpfelt. Auf dem Nücken trug ich jetzt einen starken, glänzen-⸗ 
»en Schild und einen dichten, braunen Mantel. Ich versuchte, diesen zu heben. 
Es gelang, und unter ihin zeigten sich zwei dünne, zarte Flügel. Wozu auch 
iese für mich kräftigen Burschen? dachte ich, schob sinnend den Kopf hin 
ind zurück und breitete die Fühler wie Fächer aus, um zu untersuchen, was 
n der Luft vorgehe. Dann bewegte ich den Hinterleib und die Flügel spielend 
zuf und ab und — brr ging's mit Gefumm davom Boch über euten Köpfen 
log ich hin auf des Großvaters liebsten Kirschbaum. 
Dort lebte ich seit einer Woche nach Herzenslust. Mit den Krallen 
neiner Füße hielt ich mich so fest, daß mich der stärkste Wind nicht herab— 
chütteln konnte. Den ganzen Tag verspeiste ich mit meinen Kameraden 
chonungslos die schönsten Blätter und Blüten, und — ihr werdet diesmal 
vohl wenig Kirschen zu essen bekommen. Abends schwirrten wir stets ver⸗ 
mügt wie Nachtschwärmer umher, und erst gegen Morgen begaben wir uns 
uf einige Stunden zur Ruhe. Da habt ihr mich heute, als ich noch schlum— 
nerte, zu eurem Gefangenen gemacht. Wohl mögt ihr jetzt das Todesurteil 
iber mich fällen; ich habe es verdient. Auch spielen könnt ihr noch eine 
Weile mit mir. Nur uͤm eines bitte ich euch: Plagt mich nicht! 
Quäle nie ein Tier aus Scherz: denn es füblt wie du den Schmerz!“ 
P. F. Göbelbecker
	        
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