2
Hochzeit.
Gegrüßet sei Groß⸗
mütterlein,
ind heut soll Herthas
Hochzeit sein.
Die Braut setzt just ihr
Kränzlein auf,
dans führt die Blumen
schon zu Hauf.
Ich selber geh mit diesem
Strauß
m Zug voraus ins
Gotteshaus.
Dort drüben an den
Rosenhecken
vird man die Hochzeits-
tafel decken.
Die Finken singen uns
ein Liedel,
und Kantors Fritzel
spielt die Fiedel.“
Broßmütterchen hat still
gelacht:
An einen habt ihr nicht
gedacht!
Den Bräutigam vergaßt
ihr ja!“ —
Drauf spricht die kleine
Erika:
Ach, weißt du was,
Großmütterlein:
dannst du denn nicht mal
Bräut'gam sein?“
Heinrich Bertelmann
—
Mai ist es wieder!
Hört und schauet, Mai
ist es, Mail!
Nun duftet im Garten
der Flieder,
ꝛs singen die Vögelein
wieder
ind rufen: Ihr Kinder,
herbei!
Singt mit uns die fröh⸗
lichsten Lieder!
Mai ist es ja wieder,
sonniger Mai!
Wer ruft den Frühling,
wer ruft den Mai,
äßt grün die Wälder
sich schmücken,
läßt farbige Blümlein
uns pflücken,
ehrt 's Vöglein die
Melodei?
Du Gott, der uns all'
will beglücken,
u rufst den Frühling,
du rufst den Mai!
Ferd. Maria Wendt
7
Kinderreim.
Und als der Großvater
die Großmutter nahm,
da war der Großvater
ein Bräutigam,
ind die Großmutter war
eine Braut,
a wurden sie beide mit
einander getraut.
——
Was der Maikäfer
Helene und Erna hatten einen Maikäfer eingefangen. Erst spielten
die Mädchen mit ihm. Dann sprachen sie: Saa, was hast du auch alles
chon erlebt?
Meine Eltern, begann der Käfer, lebten auch auf euren Bäumen. Sie
vurden nicht alt, und es sind gerade vier Jahre her, seit sie gestorben sind.
Mein Vater, den ihr an den größeren Fühlhörnern erkennen konntet, wollte
ich eines Abends ein Vergnügen machen. Summend flog er duͤrch die
Straßen des Dorfes. Hier begegnete ihm eine räuberische Fledermaus und
chnappte ihn hinweg. Da wollte es meiner Mutter nicht länger allein ge—
'allen. Sie grub sich in die Erde ein, legte etliche linsengroße Eier und —
tarb. Aus einem dieser Eier kroch ich nach einiger Zeit hervor. So habe ich
neine Eltern selbst nie kennen gelernt, und was ich euch eben von ihnen sagte.
'at mir ein älterer Vetter erzählt.
Auch sah ich nicht immer aus, wie ich jetzt aussehe. Ich hatte in meiner
Jugend die Gestalt einer Raupe und war von einer weichen, bräunlich-weißen
Haut überzogen. Auf sechs schwachen Beinen bewegte ich mich fort. Mit
einer kräftigen Freßzange nagte ich den ganzen Tag an den saftigen Wurzeln
leinerer Pflanzen — herrliches Süßholz, das mir köstlich gemundet. Drei
Jahre lang lebte ich in der dunkeln Erde, ohne von euch und euren Bäumen
nit dem üppigen Frühlingsschmucke etwas zu wissen. Eines Tages aber er—
fuhr ich von einem meiner Brüder, der schon mehrmals in der Ackerfurche
inter dem Pfluge des Landmannes gelauscht hatte, daß wir hier oben viele
Feinde haben, daß auch die Menschen uns böse sind und uns „Engerlinge“
niennen. Ich zitterte an allen Gliedern, als ich das hörte, und dachte, wenn
ch nur immer verborgen hier leben dürfte. Plötzlich eilte ein unheimliches,
schwarzes Tier auf mich zu. Es war unser Todfeind, der Maulwurf. Nur
nit Mühe konnte ich ihm entrinnen und wagte mich von nun an nicht mehr
ius meiner Wohnung hervor. Ich schlief fast ein ganzes Jahr an einem
Stücke. Gerade als ich die Augen schloß, hörte ich meine Kameraden neben
nir sagen: .Er verpuppt sich“
chon alles erlebt hat.
Es ist noch nicht lange her, daß ich erwachte, und weil ich meine alten
Wege nicht mehr kannte, schlüpfie ich mir nichts dir nichts in die Höhe. Ich
veiß just nicht, wie es ging; aber endlich kam ich hinter einer Erdscholle her⸗
or. Meine Augen waren zwar noch blöde und konnten anfangs das grelle
Tageslicht nicht gut ertragen. Doch öffnete ich sie immer wieder und be—
aerkte auf einmal die zwei fächerförmigen Fühler an meinem Köpfchen. Gleich
ürstete ich mir mit ihnen die Augen ab. Dann betrachtete ich mich ver⸗
vundert von Kopf bis zu Fuß; denn meine Farbe und meine Kleidung hatten
ich sehr geändert. Statt der weichen Haut war ich — gleich einem Krieger —
»on einem hornigen Panzer umgeben. Der war vorß schwarz und an den
Seiten weiß getüpfelt. Auf dem Nücken trug ich jetzt einen starken, glänzen-⸗
»en Schild und einen dichten, braunen Mantel. Ich versuchte, diesen zu heben.
Es gelang, und unter ihin zeigten sich zwei dünne, zarte Flügel. Wozu auch
iese für mich kräftigen Burschen? dachte ich, schob sinnend den Kopf hin
ind zurück und breitete die Fühler wie Fächer aus, um zu untersuchen, was
n der Luft vorgehe. Dann bewegte ich den Hinterleib und die Flügel spielend
zuf und ab und — brr ging's mit Gefumm davom Boch über euten Köpfen
log ich hin auf des Großvaters liebsten Kirschbaum.
Dort lebte ich seit einer Woche nach Herzenslust. Mit den Krallen
neiner Füße hielt ich mich so fest, daß mich der stärkste Wind nicht herab—
chütteln konnte. Den ganzen Tag verspeiste ich mit meinen Kameraden
chonungslos die schönsten Blätter und Blüten, und — ihr werdet diesmal
vohl wenig Kirschen zu essen bekommen. Abends schwirrten wir stets ver⸗
mügt wie Nachtschwärmer umher, und erst gegen Morgen begaben wir uns
uf einige Stunden zur Ruhe. Da habt ihr mich heute, als ich noch schlum—
nerte, zu eurem Gefangenen gemacht. Wohl mögt ihr jetzt das Todesurteil
iber mich fällen; ich habe es verdient. Auch spielen könnt ihr noch eine
Weile mit mir. Nur uͤm eines bitte ich euch: Plagt mich nicht!
Quäle nie ein Tier aus Scherz: denn es füblt wie du den Schmerz!“
P. F. Göbelbecker