Full text: Edelsteine deutscher Dichtung

Zehntes Schuljahr. 
Des Maies Erwachen ist nur 
Schöner noch, wie die Sommernacht, 
Wenn ihm Tau, hell wie Licht, aus der Locke träuft, 
Und zu dem Hügel herauf rötlich er kommt 
Ihr Edleren, ach, es bewächst 
Eure Male! schon ernstes Moos! 
Ach, wie war glücklich ich, als ich noch mit euch 
Sahe sich röten den Tag, schimmern die Nacht! 
9. Wandrers Nachtlied. 
Von Goethe. 
Der du von dem Himmel bist, 
Alles Leid und Schmerzen stillest, 
Den, der doppelt elend ist, 
Doppelt mit Erquickung füllest, 
Ach, ich bin des Treibens müde! 
Was soll all der Schmerz und Lust? 
Süßer Friede, 
Komm, ach komm in meine Brust!? 
10. Ein gleiches 
Von Goethe. 
Über allen Gipfeln 
Ist Ruh; 
In allen Wipfeln 
Spürest du 
Kaum einen Hauch; 
Die Vögelein schweigen im Walde 
Warte nur, balde 
Ruhest du auch. 
1) Denk⸗, Grabmale. — 2) dieses Gedichtchen ist ein Ausdruck d. 
inneren Kämpfe, welche G. kurz nach seiner Ankunft in Weimar im 
Gewühle der Hoflustbarkeiten u. bei seiner Liebe zu Charlotte v. Stein 
durchmachte. 3) mit Staatsgeschäften belastet, sehnte G. sich nach 
mehr Muße für seinen inneren Beruf als Dichter 
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