Object: Geschichte des Mittelalters (Hälfte 1)

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und Augustus und Cäsar, eilt zur Hochzeit. Trockne die Thränen und tilge die 
Spuren des Kummers, du schönste: denn nahe ist er, welcher dich befreien wird 
aus dem Kerker der Gottlosen, er, der die Boshaften schlagen, sie mit der Schärfe 
des Schwerts verderben und seinen Weinberg andern Arbeitern verdingen wird, 
die die Frucht der Gerechtigkeit darbringen zur Zeit der Ernte." x) 
Mit ganz andern Empfindungen sah Robert von Neapel, der Sohn 
und Nachfolger Karls II. (gestorben am 5. Mai 1309), der Ankunft des 
deutschen Königs entgegen. Er war nach dem Urteil seiner italienischen Zeit- 
genossen^) ein Fürst von hohen Gaben des Geistes, aber ein verschlagener 
Ränkeschmied, der mit eiserner Beharrlichkeit das Ziel verfolgte, den angio- 
vinischen Einfluß in der ganzen Apenninhalbinsel zum maßgebenden und 
allmächtigen zu machen. In Heinrich, der mit der ausgesprochenen Absicht 
kam, dem Reiche zurückzugewinnen, was ihm an Rechten und Gebieten seit 
Friedrichs II. Tod verloren gegangen war, konnte er nur den entschieden- 
sten Gegner der eignen Bestrebungen erblicken. Darum hielt er auch jede 
Treulosigkeit gegen ihn für erlaubt, und an dem Mißlingen des Römerzugs 
fällt ihm ein großer Teil der Schuld zu. 
Klemens V. erkannte in dem Unternehmen Heinrichs nicht nur keine 
Gefahr für das Papsttum, sondern erwartete vielmehr von ihm die Versöh- 
nnng der schroffen Gegensätze, die den Kampf der Parteien zu einem dan- 
ernden gemacht und die ungemeine Heftigkeit desselben verschuldet hatten. 
Seine Hoffnung war, durch Heinrich, den er als treuen Sohn der Kirche 
kannte und durch die bündigsten Eide an sich gekettet hatte, nach Italien zurück- 
geführt zu werdend) Mit begeisterten Worten meldete er selbst den Städten 
Toskanas und der Lombardei am 1. September 1310 die baldige Ankunft 
des ersehnten Friedebringers und forderte die Parteien zu ehrerbietigem Em- 
pfange aus.4) Er glaubte von Heinrich VII. die Wiederaufnahme der stanfi- 
fchen Pläne nicht befürchten zu müssen, sondern war aufrichtig überzeugt, daß 
der König sich an der Erneuerung der päpstlichen Herrschaft in Italien 
und an dem kaiserlichen Titel werde genügen lassen. Um ihm die sried- 
liche Ordnung der Dinge in Italien zu erleichtern, bemühte er sich, ein 
Bündnis zwischen ihm und Robert von Neapel, dem mächtigsten Herrn 
auf der ganzen Halbinsel, herzustellen. Dieser schien nicht abgeneigt, sor- 
derte jedoch als Preis für feinen Sohn Karl die Hand einer Tochter 
Heinrichs und als Mitgift außer einer ansehnlichen Geldsumme die Be- 
lehnung desselben mit dem arelatischen Reiche. Vergebens suchte der Papst 
die verlangte Summe herabzumindern; die Gesandten des habgierigen Anjon 
verweigerten jede Verringerung und brachten dadurch das ganze Projekt 
zum Fall,^) zur großen Genngthuuug Philipps des Schönen, dem ein 
Bündnis zwischen Robert und Heinrich für Frankreich gefährlich dünkte. 
Im übrigen kam dem französischen Könige Heinrichs Zug nach Italien sehr 
gelegen; es war leicht vorauszusehen, daß die gesetzlosen Zustände der Halb- 
iusel den König so vollständig beschäftigen würden, daß er auf lange Zeit 
hinaus an die Hut der deutschen Westgrenze nicht denken konnte. Was galt ihm 
1) Wegele, Dante 222flg. Den Text des Briefes s. bei Fraticelli, Opere 
minori di Dante III, 2, p. 213. 2) Vgl. Wenck 141 3) Pöhlmann, Der 
Römerzug Kaiser Heinrichs VII. :c. S. 10. 4) Böhmer, Reg. Päpste, p. 346, no. 329. 
Gedruckt bei Th einer, vod. dipl. dorn. temp. s. sedis I, 436 Vgl. Bonaini I, 42flg., 
no. 26—37. Pöhlmann, Römerzug 11. 5) S. über diese Verhandl. Wenck 140flg.
	        
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