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IV. Das Lehen im Hause und in det Familie.
42. Jamilie und Heimat.
Wilhelm fFischer.
Nach der Handschrift des Verfassers.
1. Von allen Wesen ist keins bei der Geburt so schwach und
hilflos wie der Mensch. Aber gerade diese Hilfsbedürftigkeit wird
uͤns nach dem weisen Ratschlusse Gottes zum Segen; sie bindet
die Familie zusammen und enthält schon die Keime der Gemeinde
und des Staates.
2. Die scheinbare Zurücksetzung des höchsten Geschöpfes auf
Erden wird nämlich reichlich ausgeglichen durch die Elternliebe.
Wohl findet sich diese auch bei den Tieren, aber sie erlischt dort
mit dem Hilfsbedürfnis der Jungen. Im Menschenleben ist sie
ein starkes und heiliges Gefühl.
3. Auf demselben Boden erwächst die Geschwisterliebe. Brüder
und Schwestern, welche von Jugend auf Lust und Leid geteilt
haben, wachsen nebeneinander auf und verwachsen miteinander
fest fürs ganze Leben. Wenn ein Mann den andern seiner
innigsten Liebe versichern will, so kann er nicht mehr zu ihm
sagen als: Mein Bruder.
4. So entsteht durch die Ehe, die feste und heilige Verbindung
von Mann und Weib zu dauernder Lebensgemeinschaft, die
Familie. Ihre Bande sind unzerreißbar. Wir könnten sie nicht
bsen, wenn wir wollten, und wir sollten es nicht, wenn wir
könnten. Das vierte Gebot setzt das göttliche Siegel auf eine
Gesinnung und ein Verhalten, welche sich für den gut gearteten
Menschen schon von selbst verstehn. Unwillkürlich übertragen
wir einen Teil dieser frühesten und reinsten Gefühle von ihren
nächsten persönlichen Gegenständen auf alles, was in irgend einer
Beziehung zu ihnen steht, auf Haus und Gerät, auf Hof und
Garten des Vaters, auf Nachbarn und Umgebung. So erweitern
wir den ersten, engsten Kreis zur Heimatliebe.
5. Vielleicht bedarf diese Heimatliebe zu ihrer vollsten
Entfaltung, daß wir durch Raum und Zeit von unserm ersten
Wohnorte getrennt werden; der ruhig im alten Kreise fortlebende