Full text: Vom goldnen Überfluß

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Erdbeeren, duftend und so purpurrot, 
daß schon ihr Anblick eine Labung war. 
Der Alten bot er wahren Hochgenuß: 
„Die wachs'n auf'n Stauf'n, in die Schlucht'n,“ 
sagt sie und hebt voll Finderstolz ihr Körbchen. 
Ich hätte seinen Inhalt gern erworben; 
er war verkauft. Vom Berge kam die Frau 
nach langem Tagewerk, war hungrig jetzt, 
ein wenig müd' und sehnte sich nach Hause. 
„Es warten Eurer,“ meint' ich, „Eure Kinder 
und kleine Enkel dort.“ 
„Auf mi' wart koa's, 
i bin alloa,“ gab sie zerstreut zurück, 
und mit der Rechten ihre Augen deckend, 
blickt' in die Sonne sie, die goldig flutend 
soeben hinter Bergeshöh'n versank. 
„Da schaug'ns hin, zum Zwisl schaug'ns hin, 
da bin i morg'n um die Zeit scho g'west. 
Gon Ab'nd hoaßt's zur Alm no auffikrabin, 
im Heubüh drob'n schlaft ma woltern guat, 
und fruh um zwoa geht's ani scho' in d' Staud'n.“ 
Und wieder lag auf ihrem greisen Antlitz 
das Kinderlächeln, das mich gleich bezwang, 
als sie nun sprach von ihren Wanderungen 
im Morgendämmer und beim Sonnenaufgang, 
durch Waldesdunkel, durch das Felsgeklüft, 
und drob so Müdigkeit vergaß wie Hunger. 
Ein Jäger nur erzählt mit solcher Freude 
von seinen Abenteuern auf der Pirsch, 
wie von den ihren sie „beim Erber'⸗Brocken“. 
Mit stillem Neide horcht' ich. Aus der VNot 
nicht eine Tugend nur, auch Glück zu machen, 
das ist die allerhöchste CLebenskunst. 
Ihr freilich mag sie leicht geworden sein, 
der schlichten, alten Freundin der Vatur, 
in diesem Dasein, halb im Traum geführt, 
dem Kampf der Welt entrückt, von Leiden frei. 
Marie von Ebner-Eschenbach
	        
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