Full text: Vom goldnen Überfluß

Vom Horizont her nahn mit Hast 
und einen sich zwei Straßendämme, 
von Apfelbäumen eingefaßt, 
schon blaß beglänzt die knorrigen Stämme; 
die Morgensonne kommt. 
Nun folgt zum andern Himmelssaum 
dein Blick den fruchtberaubten Zweigen, 
und plötzlich siehst du Baum an Baum 
sein brandrot glühendes Caub dir zeigen: 
der Tag ist da. 
wR 
Anno Domini 1812. 
Über Rußlands Leichenwüstenei 
faltet hoch die Nacht die blassen Hände; 
funkeläugig durch die weiße, weite, 
kalte Stille starrt die Nacht und lauscht. 
Heiser kommt ein Geläute. 
Dumpf ein Stampfen von Hufen, fahl flatternder Reif, 
ein Schlitien knirscht, die Kufe pflügt 
stiebende Furchen, die Peitsche pfeift, 
es dampfen die Pferde, Atem fliegt; 
flimmernd zittern die Birken. 
„Du, was hörtest du von — Bonaparte!“ 
Und der Bauer horcht und will's nicht glauben, 
daß da hinter ihm der steinern starre 
Fremdling mit den harten Lippen 
Worte so voll Trauer sprach. 
Antwort sucht der Alte, sucht und stockt, 
stockt und staunt mit frommer Furchtgebärde: 
aus dem Wollkensaum der Erde, 
brandrot aus dem schwarzen Saum, 
taucht das Horn des Mondes hoch. 
Richarod Dehmel. 
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