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gießt die ganze schauerlich-großartige Wildnis mit Purpur, um
im nächsten Augenblick zu versinken und alles in Dämmerung zu
hüllen. Die Zelte sind ausgeschlagen. Wan hat sich gelagert;
Seuer prasseln aus, von geschäftigen bänden genährt und bei jedem
neuen Aufwurf die Lohe in die Nacht hinausstrahlend. Jn malerischen
Gruppen stellt und lagert sich die Karawane umher. Hier neben
den Namelen liegen die Treiber, zum schlafe bereit. Sinter ihnen,
um ein zweites Seuer, kauern Beduinen; sie spielen, treiben Possen
oder schmauchen aus langen Pfeifen und „reichen die Trinkschale
des Gesprächs umher". vor jenem Zelte aber sammelt sich im
phantastischen Gemisch der Trachten und Waffen der große Kreis
der Reisenden: Araber,. Türke, Sezzaner, Sude und kranke in
einer Runde. Sie horchen einem Derwisch, der aus „Tausend
und einer Nacht" erzählt, oder einem fahrenden Stegreifdichter,
dessen kecke Lieder der schwirrende Ton der arabischen Zither
begleitet, und werden nicht müde, den Sänger durch manche
blinkende Gabe zu immer neuen weisen zu begeistern.
Allmählich nahet Mitternacht. Das Mondlicht kämpft auf
den weißen Zellwänden und den blanken Damaszenern mit dem
flackernden Scheine der niederbrennenden inneren Seuer. Nur
die äußeren schlagen noch immer mächtig empor; sie wehren dem
Schakal, der heiser bellend das Lager umschleicht. Bei ihnen
wacht der Scheich und sein Stamm; aber über das Lager hat der
Schlaf die Decke gebreitet.
Tiefe Stille; nur zuweilen knistert das gesunkene Seuer;
Nur zuweilen kreischt verspätet ein vom Horst verirrter Geier;
Nur zuweilen stampft im Schlafe eins der angebundnen Rosse;
Nur zuweilen fährt ein Reiter träumend nach dem lvurfgeschosse.
(Sreiligrath.)
Und bleichen nun die Sterne, sind Kanopus und Grion an:
Horizont erloschen, dann erhebt sich mit neuer Kraft die Karawane.
Tage um Tage vergehen, Sonnenglut wechselt mit Nachtfrost, bis
endlich die grünen Sturen der Sellahs ausleuchten. Zm Goldglanz
des sinkenden Abends erscheinen die Kolosse der Pyramiden und
die kahlen Abhänge des Mokkatam; zwischen ihnen rollt maje¬
stätisch der Nil, breitet mit ihren Hunderten von Türmen und
Minarets, mit ihren Moscheen und Palästen ohne Zahl die altsara-