Full text: Vom goldnen Überfluß

* E 
Erfroren starrten Bach und Teich, 
der Wald stand einem Bettler gleich 
und klagte dem Winde Blöß' und Vot. 
Die Felder lagen wüst und tot; 
Gelbgänschen und Spatz, Markolf und Krähe, 
sie zogen ins Dorf, in der Menschen Nähe: 
wo Rauch aufsteigt, da wird gekocht, 
und Körner gibt's, wo der Drescher pocht. 
Da rennt ein Bote in schnellem Lauf 
die steile Straße des Dorfs hinauf; 
aus Tür und Fenster sieht man ihm nach 
und fragt, was der wohl eilen mag ? 
Im Pfarrhof droben steht er nun 
und stampft den Schnee von den Nagelschuhn. 
Der Wigand ist es von Schönenberg; 
ins Fenster lugt er überzwerch, 
ob heute der alte Herr, wie immer, 
liest oder betet im kleinen Zimmer. 
Er will ihn rufen in Todesnot; 
sein Vater aß das letzte Brot 
und schmachtet nun nach der Himmelsspeise, 
der CLabekost für die schwere Reise. — 
Der Pfarrer Gerhard Lödige sitzt, 
das greise Haupt auf die Hand gestützt, 
vertieft in einen schweren Quartanten, 
beschlagen mit Messingspangen und Kanten. 
Er hatte schon so manches Jahr 
als treuer Hirt die Lämmerschar 
bewacht und geweidet auf grüner Halde; 
nun denkt er des Heimgangs, balde, balde, 
und müde der Welt, der Nacht und Not, 
gehn seine Gedanken ins Morgenrot. 
Er hört des Boten geflügeltes Wort, 
nach Nieheim schickt er zum Arzt ihn fort; 
dann ruft er den Hausknecht sonder Säumen, 
der soll ihm hurtig den Fuchsen zäumen. 
Friedrich Wilhelm Weber. 
66
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.