Balladen, Romanzen. 141
Und nicht gradaus gehn, mag ihm auch
Die halbe Welt entgegenstehn:
Der ist zum Tode reif und soll
80 In seinen Sünden untergehn!“
Wilh. Fischer.
173. Xenokrates.
Dem Manne Heil, des Seele klar
Und dessen Worte truglos sind
Und fest bestehn und nicht verwehn
Wie leichte Spreu im Wirbelwind!
5 Es nimmt ein jeder ungeprüft
Wie neugeprägtes Gold sie an
Auch ohne Handschlag, ohne Eid,
Und denkt getrost: Ein Wort, ein Mann;
— Als zu Athen Xenokrates
10 Einst vor dem Volksgerichte stand,
Da trat er wie ein andrer vor
Und hob zum Schwure schon die Hand.
Doch eh' er noch den Mund erschloß,
Zu sprechen den gewalt'gen Eid,
15 Erhob der Heliasten Schar
Sich ungestüm in Einigkeit,
Und alle, alle riefen laut,
All die Fünfhundert: „Schwöre nicht!
Der Wahrheit Sonne strahlet hell
20 Von deinem edlen Angesicht!
Wer kann dich einer Lüge zeihn?
Noch nie befleckte deinen Mund
Die Falschheit und der Doppelsinn,
Und lauter ist dein Herzensgrund;
25 Wir glauben dir, wenn unser Ohr
Ein Wort nur deines Mundes hört,
So viel, als wenn ein andrer uns
Den heiligsten der Eide schwört!“ —
So scholl's. Errbtend winkte zwar
30 Xenokrates: Genug, genug!
— Ich aber glaube, daß sein Herz
In jenem Augenblicke schlug,
Als wär' er in Olympia
Vor allem Volke hochbeglückt,
35 Als würde auf sein Siegerhaupt
Des wilden Olbaums Kranz gedrückt.
wilh. Fischer.