Fabeln. 57
300. Die Stufenleiter.
1. Ein schlauer Sperling haschte sich
Ein blaues Mückchen. „Weh' mir Armen,“
Rief es, „ach Herr, verschone mich,
Laß meiner Jugend dich erbarmen!“
„Nein,“ sprach der Mörder, „du bist mein,
Denn ich bin groß, und du bist klein.“
2. Ein Sperber fand ihn bei dem Schmaus.
So leicht wird kaum ein Floh gefangen
Als Junker Spatz. „Gib,“ rief er aus,
„Mich frei! was hab' ich denn begangen?“
„Nein,“ sprach der Mörder, „du bist mein,
Denn ich bin groß, und du bist klein.“
3. Ein Adler sah den Gauch und schoß
Auf ihn herab und riß den Rücken
Ihm auf. „Herr König, laß mich los,“
Rief er, „du hackst mich ja in Stücken!“
„Nein,“ sprach der Mörder, „du bist mein,
Denn ich bin groß, und du bist klein“
4. Schnell kam ein Pfeil vom nahen Bühl
Dem Adler in die Brust geflogen.
„Warum,“ rief er, indem er siel,
Zum Jäger, „tötet mich dein Bogen?“
„Ei,“ sprach der Mörder, „du bist mein,
Denn ich bin groß, und du bist klein.“
Pfeffel.
301. Der junge Hase.
Mit ernstem Schritte, wie ein Held
Vom Kampfplatz, kam ein junger Hase
Nach Haus, und seine wunde Nase
Schien laut zu rufen: staune, Welt!
5 „Du blutest, Neffe?“ sprach ein Greis
Zu ihm, „was hat sich zugetragen?“
„Je nun, ich habe mich geschlagen,“
Versetzt' er, „und der Kampf war heiß.“
„Was,“ rief die ganze Sippschaft aus,
O „Geschlagen? Wie! mit welchem Feinde?
Mit einem Hund?“ — „Ach, lieben Freunde!
Mit einer ungeheuren Maus.“
Pfeffel.
3.