Full text: Sammlung deutscher Gedichte für Schule und Haus

zu regieren und zwar ein sehr wichtiges Reich, denn ohne den 
Reichstag kann ja für das ganze Reich kein Gesetz gegeben werden. 
Ein Mann, der so viel zu sagen hat, der kann nicht jeden Tag 
5—6 Stunden oben auf dem Präsidentensitz sitzen und ganz genau 
aufpassen, was jeder Reichstagsabgeordnete sagt und daß jeder 
nur über das spricht, worüber gerade verhandelt wird und daß 
jeder immer nur so spricht, wie es in der Ordnung ist. Das wäre 
neben allen anderen Arbeiten eine zu große Anstrengung, deshalb 
wird noch ein zweiter Präsident gewählt, der den eigentlichen Prä- 
sidenten mitunter ablösen muß, der heißt dann Vizepräsi¬ 
dent. Und da der Vizepräsident auch einmal krank werden 
könnte oder sonst behindert werden könnte, so wird noch ein zweiter 
Vizepräsident gewählt, und der kommt immerhin auch noch oft 
genug daran, um die Reichstagssitzungen zu leiten, wenn der wirk¬ 
liche Präsident und der erste Vizepräsident beide nicht können. 
Außerdem gibt es noch eine Anzahl von Schriftfüh¬ 
rern, die z. B. anzumelden haben, wer sprechen will und die 
dem Präsidenten zählen helfen, wenn man bei der Abstimmung 
nicht genau weiß, wieviel Abgeordnete dafür und dagegen sind. 
Also Präsidenten und Schriftführer werden in jeder Session 
neu gewählt, und das ist das erste, was der Reichstag zu tun hat, 
sobald er eröffnet ist. Wer in der vorigen Session Präsident ge¬ 
wesen ist, der geht zu Anfang wieder auf den Präsidentensitz und 
eröffnet die Sitzung. Und dann läßt er die Namen von all den 
Abgeordneten verlesen, und wer da ist, ruft: „Hier!", sobald sein 
Name genannt ist. Es müssen wenigstens 199 da sein, sonst ist 
der Reichstag beschlußunfähig, d. h. wenn nicht so viele 
Abgeordnete mit abstimmen, dann gilt die ganze Abstimmung 
nicht. Das Verlesen der Namen nennt man den „Namens- 
aufm f". Dann wird in das Protokoll geschrieben und auch in 
Zeitungsberichten gedruckt: „Der Namensaufruf ergab die An¬ 
wesenheit von so und so vielen Abgeordneten". Wenn das 199 und 
mehr sind, dann steht dahinter: „Der Reichstag war also beschlu߬ 
fähig". Wenn es aber weniger als 199 waren, dann steht da¬ 
hinter: „Der Reichstag war also nicht beschlußfähig. Der Prä¬ 
sident beraumte die nächste Sitzung auf dann und dann an". 
Wenn aber nun der Namensaufruf ein beschlußfähiges Haus 
nicht ergeben hat, dann wird „die Präsidentenwahl auf die 
Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt". Wir wissen jetzt, was 
das heißen soll. Also: in der nächsten Sitzung wird gewählt zunächst 
der wirkliche Präsident, dann der erste Vizepräsident und dann 
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