Full text: Sammlung deutscher Gedichte für Schule und Haus

Aus verschiedenen Ländern. 
342. Der Wanderer. 
Einsam stand ich und sah in die afrikanischen dürren 
Ebnen hinaus; vom Olymp regnete Feuer herab. 
Fernhin schlich das hag're Gebirg wie ein wandelnd Gerippe, 
Hohl und einsam und kahl blickt aus der Höhe sein Haupt. 
5 Ach, nicht sprang, mit erfrischendem Grün, der quellende Wald hier 
In die säuselnde Luft üppig und herrlich empor, 
Bäche stürzten hier nicht in melodischem Fall vom Gebirge, 
Durch das blühende Tal schlingend den silbernen Strom, 
Keiner Herde verging am plätschernden Brunnen der Mittag, 
10 Freundlich aus Bäumen hervor blickte kein wirtliches Dach! 
Unter dem Strauche saß ein ernster Vogel gesanglos, 
Ängstig und eilend flohn wandernde Störche vorbei. 
Nicht um Wasser rief ich dich an, Natur, in der Wüste, 
Wasser bewahrte mir treulich das fromme Kamel, 
15 Um der Haine Gesang, um Gestalten und Farben des Lebens 
Bat ich, vom lieblichen Glanz heimischer Fluren verwöhnt. 
Aber ich bat umsonst; du erschienst mir feurig und herrlich, 
Aber ich hatte dich einst göttlicher, schöner gesehn. 
Auch den Eispol hab' ich besucht; wie ein starrendes Chaos 
20 Türmte das Meer sich da schrecklich zum Himmel empor. 
Tot in der Hülle von Schnee schlief hier das gefesselte Leben, 
Und der eiserne Schlaf harrte des Tages umsonst. 
Ach, nicht schlang um die Erde den wärmenden Arm der Olymp hier, 
Wie Pygmalions Arm um die Geliebte sich schlang. 
25 Hier bewegt' er ihr nicht mit dem Sonnenblicke den Busen, 
Und in Regen und Tau sprach er nicht freundlich zu ihr! 
Mutter Erde! rief ich, du bist zur Witwe geworden, 
Dürftig und kinderlos lebst du in langsamer Zeit. 
Nichts zu erzeugen und nichts zu pflegen in sorgender Liebe, 
30 Alternd im Kinde sich nicht wiederzusehn, ist der Tod. 
Aber vielleicht erwarmst du dereinst am Strahle des Himmels, 
Aus dem dürftigen Schlaf schmeichelt sein Odem dich auf; 
Und, wie ein Samenkorn, durchbrichst du die eherne Hülse, 
Und die knospende Welt windet sich schüchtern heraus. 
35 Deine gesparte Kraft flammt auf in üppigem Frühling, 
Rosen glühen und Wein sprudelt im kärglichen Nord. 
Aber jetzt kehr' ich zurück an den Rhein, in die glückliche Heimat, 
Und es wehen wie einst zärtliche Lüfte mich an. 
Und das strebende Herz besänftigen mir die vertrauten 
19 Friedlichen Bäume, die einst mich in den Armen gewiegt,
	        
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