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widmete sich der Theologie und starb 15663, ohne ein öffentliches Amt
verwaltet zu haben. Der jüngste Sohn, Paulus, hatte des Vaters
Feuergeist geerbt. Er studierte die Heilkunde, ward früh schon Doktor,
dann Professor in Jena und endlich Leibarzt des Kurfürsten von Sachsen.
Luthers Lebensglück gewann viel durch diese Kinder. Kinder hielt
er überhaupt für den größten Segen des Hauses. „Sie binden und er—
halten das Band der Liebe,“ sagte er. Deshalb fühlte er sich auch in
ihrer Mitte am allerfrohesten, und abends brachte er gewöhnlich einige
Zeit bei ihnen und seiner Frau zu, wo er jeden Augenblick zum Besten
ihrer Bildung benutzte.
Herrliche und tefe Blicke that Luther in die Kinderwelt und Kindes—
natur Wie oft wurde der Glaube der Kinder und ihr Gebet von ihm
bewundert! Mit stillgerührtem Vaterblicke sah er oft seinen Kindern zu,
wenn sie spielten, wenn sie über Tische saßen, wenn sie lernten, beteten,
oder auch wenn sie sich — zankten. Aus allem zog er eine weise christ—
liche Lehre und Nahrung für sein Herz. Einst schaukelte er eins seiner
Töchterchen auf seinem Schoße und fragte: „Lenchen, was wird dir der
heilige Christ bescheren?“ Und als das Kind ihm seine kindlichen Hoff⸗
nungen vertraut hatte, sagte er: „Die Kindlein haben so feine Gedanken
bon'Gott, daß er im Himmel und ihr Gott und lieber Vater sei.“ —
Als sich seine Kinder einst untereinander zankten und bald wieder ver—
söhnten, sprach er: „Lieber Gott, wie wohl gefällt dir doch solcher Kinder
Keben und Spielen! Ja, alle ihre Sünden sind nichts, denn Vergebung
de Sunden.e Ein anderes Mal, als die harrenden Blicke seiner Kinder
auf einen Teller mit schönem Obst gerichtet waren, sagte er: „Wer da
sehen will ein Bild eines, der sich in Hoffnung freut, der hat hie ein
bedhtes Konterfei. Ach, daß wir den jüngsten Tag so fröhlich in Hoff—
nung könnten ansehen!“ —
Luther war seinen Kindern Vater im vollen Sinne des Wortes.
Sobald dieselben das erforderliche Alter erreicht hatten, gab er ihnen
lrot der ungeheuren Menge seiner Geschäfte den Unterricht selbst. Waren
fie etwas herangewachsen, so mußten sie seine Gesellschafter sein. Auf
seinen Reisen nahm er meistens seinen äͤltesten Sohn mit. Die Erziehung
zum Guten lag ihm besonders am Herzen. Daher bewies er bei aller
rtlichen Vaterliebe nie eine unzeitige Nachsicht gegen seine Kinder.
So sehr er die allzugroße Strenge tadelte, die er seiner Zeit erfahren
hatte, ebenso sehr mißbilligte er die Schwäche, welche den Eigenwillen und
bie Süunde in den Kindern aufkommen läßt. Man müsse so strafen, war
seine einfache Maxime, daß immer der Apfel bei der Rute sei. Als ein—
mal sein ältester Sohn, sein sonst geliebtes Hänschen, sehr gefehlt hatte,
ließ er ihn drei Tage nicht vor sich, bis er ihn um Verzeihung gebeten
hatte, und selbst dann wollte er nichts mehr von ihm wissen, obgleich
bie Mutter und mehrere Freunde Fürsprache für ihn einlegten. „Ich
vill leber keinen Sohn haben als einen ungeratenen“, war Luthers
Antwort.
Je mehr Freude Luther an seinen Kindern hatte, desto betrübender
mußten ihm natürlich die Krankheits- und Sterbefälle unter denselben
sein. Am größten war sein Schmerz beim Hinsterben seiner dreizehn—
ährigen Tochter Magdalene. Weinend warf er sich da vor dem Bette
Vaterl. Lesebuch III. 2. 2. Aufl.