Full text: Deutsche Poesie von den Romantikern bis auf die Gegenwart

Ludwig Uhland. 
Ludwig Uhland. 
131. Der blinde König. 
1. Was steht der nord'schen Fechter Nimm hin die alte Klinge! 
Schar Sie ist der Skalden Preis. 
Hoch auf des Meeres Bord? Und fällst du, so verschlinge 
Was will in seinem grauen Haar Die Flut mich armen Greis!“ 
in u 
ee e 6. Und horch! es schäumet und es 
Auf seinen Stab gelehnt, rauscht 
Daß überm Meeregarme Der Nachen übers Meer. 
Das Eiland widertönt; Der blinde König steht und lauscht, 
Und alles schweigt umher, 
2. „Gib, Räuber, aus dem Fels- Bis drüben sich erhoben 
verließ Der Schild und Schwerter Schall 
Die Tochter mir zurück! Und Kampfgeschrei und Toben 
Ihr Harfenspiel, ihr Lied so süß Und dumpfer Widerhall. 
War meines Alters Glück. — 
Vom Tanz auf grünem Strande 7. Da rust der Greis so freudig 
Hast du sie weggeraubt; bang: 
Dir ist es ewig Schande, „Sagt an, was ihr erschaut? 
Mir beugt's das graue Haupt.“ Mein Schwert, ich kenn's am guten 
Klang, 
3. Da tritt aus seiner Kluft hervor Es gab so scharfen Laut!“ 
Der Räuber, groß und wild; „Der Räuber ist gefallen; 
Er schwingt sein Hünenschwert empor Er hat den blut'gen Lohn. 
Und schlägt an seinen Schild. Heil dir, du Held vor allen, 
„Du hast ja viele Wächter; Du starker Königssohn!“ 
Warum denn litten's die? 
Dir dient so mancher Fechter, 8. Und wieder wird es still umher; 
Und keiner kämpft um sie?“ Der König steht und lauscht. 
„Was hör' ich kommen übers Meer? 
4. Noch stehn die Fechter alle Es rudert, und es rauscht.“ 
stumm, „Sie kommen angefahren, 
Tritt keiner aus den Reih'n; Dein Sohn mit Schwert und Schild, 
Der blinde König kehrt sich um: In sonnenhellen Haaren 
„Bin ich denn ganz allein?“ Dein Töchterlein Gunild!“ 
Da faßt des Vaters Rechte 
Sein junger Sohn so warm. 9. „Willkommen!“ ruft vom hohen 
„Vergönn mir's, daß ich fechte; m—— Stein 
Wohl fühl' ich Kraft im Arm!“ Der blinde Greis hinab. 
„Nun wird mein Alter wonnig sein, 
5. „O Sohn, der Feind ist riesen- Und ehrenvoll mein Grab. 
stark; Du legst mir, Sohn, zur Seite 
Ihm hielt noch keiner stand. Das Schwert von gutem Klang; 
Und doch, in dir ist edles Mark; Gunilde, du Befreite, 
Ich fühl's am Druck der Hand. Singst mir den Grabgesang!“ 
106
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.