Full text: Deutsche Poesie von den Romantikern bis auf die Gegenwart

Nikolaus Niembsch von Strehlenau (Lenau) 
387 388. Abendbilder. 
1. Friedlicher Abend senkt sich aufs Gefilde; 
Sanft entschlummert Natur, um ihre Züge 
Schwebt der Dämm'rung zarte Verhüllung, und sie 
Lächelt, die holde, 
2. Lächelt, ein schlummernd Kind in Vaters Armen, 
Der voll Liebe zu ihr sich neigt; sein göttlich 
Auge weilt auf ihr, und es weht sein Odem 
Über ihr Antlitz. 
2. 
1. Stille wird's im Walde; die lieben, kleinen 
Sänger prüfen schaukelnd den Ast, der durch die 
Nacht dem neuen Fluge sie trägt, den neuen 
Liedern entgegen. 
2. Bald versinkt die Sonne; des Waldes Riesen 
Heben höher sich in die Lüfte, um noch 
Mit des Abends flüchtigen Rosen sich ihr 
Haupt zu bekränzen. 
3. Schon verstummt die Matte; den satten Rindern 
Selten nur enthallt das Geglock am Halse, 
Und es pflückt der wählende Zahn nur lässig 
Dunklere Gräser. 
4. Und dort blickt der schuldlose Hirt der Sonne 
Sinnend nach; dem Sinnenden jetzt entfallen 
Flöt' und Stab, es falten die Hände sich zum 
Stillen Gebete. 
389. Am Grabe Höltys. 
1. Hölty, dein Freund, der Frühling, ist gekommen! 
Klagend irrt er im Haine, dich zu finden; 
Doch umsonst! Sein klagender Ruf verhallt in 
Einsamen Schatten. 
2. Nimmer entgegen tönen ihm die Lieder 
Deiner zärtlichen, schönen Seele; nimmer 
Freust des ersten Veilchens du dich, des ersten 
Taubengegirres. 
3. Ach, an den Hügel sinkt er deines Grabes 
Und umarmt ihn sehnsuchtsvoll: „Mein Sänger 
Tot!“ So klagt sein flüsternder Hauch dahin durch 
Säuselnde Blumen.
	        
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