Full text: Vaterlandskunde für die 8. Klasse der österreichischen Gymnasien

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In Böhmen stützte er sie weniger auf die i. J. 1864 abgeschlossene Erbvoer- 
hrüderung, da sie durech die Anerkennung der nach dem Tode des Königs Ladislaus 
postumus gewahlten Rönige stillschweigend aufgegehen worden war; er hielt viel- 
mehr am Erbrechte seiner Gemahlin fest, welches tatsachliech nach den böhmischen 
Stautsgrundgesetzen gar nieht angefochten werden konnte. Denn die mit Zustimmung 
ler Grohen getroffense Verfügung Karls IV. von 1348 sowie die Goldene Bulle von 
13856 hatten das Wahlrecht der Böhmen auf den Fall beschränkt, daß vom königlichen 
Stamm auch kein weiblicher Sprößling mehr vorhanden war. Da aber in Böhmen 
serdinands spanische Abkunst, seine Unkenntnis der hböhmischen Sprache und die 
heim Antritte der Regierung in österreich an den Tag gelegte Strenge vielfach Anstoß 
arregten, so rieten ihm seine Anhänger, er möge das Hauptgewicht nicht auf das 
HErbrecht legen, sondern die nachbarliche Zuneignng in den Vordergrund stellen. 
Die Gesandten des Erzherzogs verhandelten mit großem Geschick. Als 
der böhmische Landtag erklärte, dat er auf dem Wahlrecht bestebe, waren 
sie so klug nachzugeben und nun wurde Ferdinand (im Oktober 1526) ein- 
stimmig zum König gewüählt und béreits im Februar 1527 in Prag gekrönt. 
Dagegen machte die Erwerbung Ungarns dem Hause Habsburg 
die größten Schwieérigkeiten. 
Feérdinand mubte hier die Verträgßge von 1463 und 1491 als maßgebend an- 
sehen; namentlich der letztere sprach den Nachkommen Maximilians J. welchen 
con ihnen die Stände wählen würden, ein Recht auf die ungarische Krone zu. Aher 
die Urkunde, durch welche die ungarischen Stande den Prebburger Vertrag von 1491 
— 
aignisse hier ebenso wenig entscheidend als in Böhmen; die Stände beanspruchten 
das Recht, den neuen König zu wählen. 
Der Palatin Stephan Bäthory schloß sich an die Königin 
Marie, die Schwester Ferdinands, an, die sich vor den Tuürken naclh 
Preßburg geflüehtet hatte. Die Führung der Opposition hatte das 
Haupt des niederen Adels, Johann Zapolya. Dieser wurde im 
November 1526 auf einem Reichstag in Stuhlweißenburg, der jedoch 
nicht zahlreieh besucht war, als König ausgerufen und an dem folgenden 
Tage gekrönt. Dagegen schrieb die Königin Marie im Einvernehmen 
mit dem Palatin einen Reichstag aus, der im Dezember 1526 in Preß- 1526 
burg stattfand. Hier wurde zunächst der Reiehstag von Stuhlweißen- 
burg für ungesetzlich erklärt und Ferdinand J. einstimmig zum 
König erwählt. Bald waren die wiehtigsten Festungen in seinen 
Händen und im August 1527 hielt er bereits seinen Linzug in 
Ofen. Kurz darauf erlitt Zapolya bei To kaj eine Niederlage durch den 
heldherrn Ferdinands, den Grafen Niklas Salm. Ferdinand berief jetzt 
einen Reichstag nach Ofen und wurde hier allgemein als König anerkannt. 
Die Gründung einer Kräftigen Monarchie an der mittleren 
Donau war erreicht, wenn auch gewiß nur wenige von den mab- 
gebenden Persönlichkeiten einsahen, dastß sie angesicltts der von den 
Purken drohenden Gefabr geradezu eine Lebensfrage für Mitteleuropa sei. 
Lansg, Vaterlandskunde fur die 8. Rlasse der üsterr. Gymnusien.
	        
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