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Neapel,
Napoleon dem österreichischen Gesandten sein Bedauern über die Verschlechterung
der Beziehungen zwischen Frankreich und Oesterreich aussprach; es wurde allgemein
der baldige Ausbruch eines Krieges erwartet. Bald darauf wurde die sardinische
Armee am Tessin zusammengezogen, und die Heirath zwischen dem Prinzen Jerome
Napoleon, Vetter des Kaisers, und der Prinzessin Clotilde von Sardinien vollzo¬
gen. Am 24. April richtete Oesterreich an Sardinien ein Ultimatum, worauf es
seine Armee unter Ginlay in Sardinien einrücken ließ: durch die vorhergegangenen
diplomatischen Verhandlungen hatte Frankreich Zeit gewonnen, Truppen zu rüsten
und zusammenzuziehen, die nun gleichzeitig in Italien einrückten. Der Feldzug war
kurz, aber blutig. In zwei Hauptschlachten, bei Magenta am 4. Juni (Marschall
Mac Mahon) und bei Solferino am 24. Juni (Marschall Niel) wurden die Oe¬
sterreicher trotz heldenmütigen Kampfes entschieden geschlagen. Ehe der Krieg eine
größere Ausdehnung gewinnen konnte (Preußen, welches anfänglich einer Theilnahme
des deutschen Bundes am Kampfe widerstrebt, hatte sich gerüstet), wurde plötzlich
von Napoleon und Franz Joseph in Villafranca (11. Juli) ein vorläufiger Friede
abgeschlossen, dessen einzelne Bestimmungen später in Zürich vereinbart wurden.
Durch diesen Frieden wurde die Lombardei von Oesterreich an Frankreich abgetreten,
welches dieselbe wiederum an Sardinien übertrug; in Italien sollte eine Konföde¬
ration nach Analogie des deutschen Bundes unter dem Vorsitz des Papstes gebildet
werden; die während des Krieges vertriebenen Fürsten von Toskana und Modena
sollten in ihre Staaten zurückkehren (Parma, von wo die bourbonische Familie
verjagt worden war, wurde nicht erwähnt); Oesterreich blieb auf Venedig und das
sogenannte Festungsviereck beschränkt. Dieser Friede blieb in Bezug auf die Wieder¬
einsetzung der mittelitalienischen Fürsten unausgeführt, deren Länder vielmehr in
Sardiniens Besitz blieben; auch ließ man die Idee des italienischen Bundes wieder
fallen. Vielmehr vereinigten sich die Länder von Toscana, Modena, Parma und
die dem Kirchenstaate zugehörige Romagna 1860 definitiv mit Sardinien, welches
seinerseits Savoyen und Nizza an Frankreich abtrat.*)
In Neapel war inzwischen (22. Mai 1859) König Ferdinand II. gestorben
und sein Sohn ihm als Franz II. ans dem Throne gefolgt. Die Ernennung ge¬
mäßigt liberaler Minister und Amnestieerlasse vermochten nicht mehr die Gefahr
abzuwenden, welche dem bourbonischen Königthume aus der früheren Regierungs¬
weise und den sich über ganz Italien verbreitenden Einheitsbestrebungen erwuchsen.
Zudem wurde König Franz wieder schwankend und zeigte Neigung, zu dem früheren
System zurückzukehren. So ward es, nachdem schon in Sicilien eine Erhebung des
Volkes stattgefunden hatte, dem kühnen sardinischen General Garibaldi leicht, in
Sicilien mit mäßiger Macht zu landen und diese Insel der neapolitanischen Herr-
*) Eine weitere Folge der englisch-französischen Allianz war der von England,
das zugleich mit einem gefährlichen, von Lord Elyde endlich mit Mühe unterdrück¬
ten Aufstande der Sepoys, der einheimischen Truppen in Indien, zu kämpfen hatte,
und Frankreich gemeinsam geführte Krieg (1857—1858) gegen China, der durch
einen Vertrag beendigt wurde Als dieser jedoch von den Chinesen verletzt wurde,
brach der Krieg 1860 von Neuem aus. Die Chinesen wurden geschlagen und
Peking erobert. Der Friede eröffnete den Europäern neue Häfen und zwang die
Chinesen zur Duldung europäischer Gesandten in Peking. — Ein anderer von den
Engländern unternommener Krieg war der gegen König Theodorus von Abyssinlen,
der den Zweck hatte, eine Anzahl Europäer, die der barbarische Tyrann gefangen
hielt, zu befreien, und welcher mit der Eroberung seiner Burgfeste Magdala endete.