Full text: Lesestücke zum Weltkrieg

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geweihter Erde wurde der Gottesdienst abgehalten. Als Altar dient ein 
einfaches steinernes Kreuz. Davor hatte der Feldgeistliche, ein junger, 
sehr liebenswürdiger Herr, Stellung genommen. Es versammelten sich 
ungefähr 1000 Gläubige protestantischer Konfession, darunter etwa 50 
Offiziere. Der Geistliche ruft die Nummer des Chorals im Feldgesang⸗ 
buch. Es ist das Lied „Nun danket alle Gott“. Er stimmt an, und so 
nach und nach findet sich ein jeder in die Melodie, so gut es geht. Der 
zweite Vers ging schon besser. Es war rührend, von den 1000 wetter— 
gebräunten und bärtigen Männern das Danklied zum Himmel steigen zu 
hören. So manches Auge wurde naß. Als nach dem Gesang des Chorals 
der Geistliche uns die Pflichten, die wir als Soldaten im Felde hätten, 
ans Herz legte und die Ermahnung, fleißig zu beten, an uns richtete, ist, 
glaube ich, kein Auge trocken geblieben. Ich sah viele, denen die hellen 
Tränen über die gebräunten Wangen liefen. So erging es auch mir. 
„Stillgestanden! Helm ab zum Gebet!“ Wir beteten das Vaterunser laut. 
Nun verloren auch die, welche bis jetzt ihre Tränen zurückzuhalten ver⸗ 
mochten, die Gewalt über sich. Die Erhebung aller Gemüter war un— 
beschreiblich. Ein Gebet für unsere Lieben zu Hause, vom Geistlichen 
gesprochen, sowie der letzte Vers des Liedes beendete die Feier. Es 
folgte der Segen, darauf das Kommando: „Stillgestanden“. Der Gottes— 
dienst war beendet. Auf allen Gesichtern freudiges Aufleuchten. Ein 
jeder ging mit viel leichterem Herzen vom Platz. Man sieht, daß sich 
brave Soldaten nach solch gemeinsamem Gebet und erhebender Feier 
sehnen. Nur ist leider ein solcher Gottesdienst nicht immer möglich, da 
die Pflicht für das Vaterland zum Dienst ruft. Aber solange das Gott⸗ 
vertrauen in unseren Kriegerherzen wohnt, steht es gut um unser Heer 
und unsere gerechte Sache. Gottvertrauen ist schon halber Sieg! Gott 
mit uns! Leitzen, Der große Krieg von 1914 15. 
54. Weihegesang. 
J dem Feldpostbrief eines Lehrers an seine Schüler findet sich die 
folgende schöne und ergreifende Schilderung: 
„Es war vor der Schlacht. An der Kirche eines Dorfes hielten wir 
und aßen Mittagbrot aus unseren Feldküchen. Dann gingen wir, weil es 
so stark regnete, in die Kirche; es war eine katholische. Wir legten uns 
auf den Fußboden und erzählten uns ganz leise etwas; viele Leute 
schliefen sofort ein. Ich erinnerte mich, daß ich heute vor zwei Jahren 
um dieselbe Zeit auch in der Kirche war; es ist nämlich mein Hochzeits⸗ 
tag. Da ging ich zur Orgel und spielte den Choral: ,So nimm denn
	        
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