Full text: Lesestücke zum Weltkrieg

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unserer schmutzigen Landstraße dehnten sich endlos die nassen Wiesen. Je 
näher wir dem Flusse kamen, desto lebhafter pfiffen die Hochgänger um 
uns. Nur ein Stöhnen ab und zu verriet, daß nicht alles vorbeiging. 
Schließlich mußten wir rechts und links in den Straßengraben und durch 
fußtiefen Morast waten. Dann gab es einen langen Aufenthalt. Un— 
heimlich sangen die Kugeln durch die Nacht, klatschten gegen die Baum— 
stämme, rissen kleine ÄNte ab, prallten klatschend auf Steine und quarrten 
dann als Querschläger weiter mit einem Ton, wie ein Wickelkind seine 
Unzufriedenheit zu erkennen gibt. Endlich kam wieder Bewegung in die 
schweigende Kolonne, und es ging über die „Brücke“. Diese bestand aus 
einem Lastkahn, der quer über den Fluß geschoben war, mit Laufplanken 
an den Enden. Sie waren so schlüpfrig geworden, daß man auf allen 
Vieren kriechen mußte. Drüben wurden wir von einem Posten empfangen, 
der uns zuflüsterte: „Links am Fluß lang kriechen und den linken Flügel 
verlängern!“ Man sah wohl den Fluß treiben, weiter aber nichts. Über 
uns zischte es in allen Tonarten. Endlich gewöhnte man sich soweit an 
die Dunkelheit, daß man einen von uns besetzten breiten Wall erkennen 
konnte. Wir krochen hinter ihm entlang. Etwas Weiches, Nasses fühlte 
ich an meiner Hand — es war ein Toter, dem ich ins blutüberlaufene 
Gesicht gefaßt hatte. Wir stießen alle drei Schritt auf Leichen oder 
stöhnende Verwundete. Und zwischen all diesem Elend das scharfe, 
peitschenartige Knallen der Gewehre, das Singen und Pfeifen der Kugeln, 
unterdrückte KLommandos. Endlich waren wir auf dem linken Flügel. Da 
sah es böse aus. Die Toten lagen reihenweise nebeneinander, und das 
Schießen glich hier einem Prasseln von Hagelkörnern, die auf Blech 
schlugen. Man rief uns zu, der Feind versuche, zu umgehen. Wir 
krochen schnell auf den Damm und sahen nur zwanzig Schritte vor uns 
schwarze Gestalten näher kommen, immer mehr, immer mehr. — Teufel, 
das konnte schlimm werden. — „Schießt, Leute, was das Zeug halten 
will!“ — Päng — päng — päng! — Von drüben blitzte es wieder, man 
durfte kaum die Nasenspitze zeigen. Unaufhaltsam schob sich der Feind 
nach der Seite zur Umgehung. Allmählich trat Patronenmangel ein, und 
wir ließen nach rechts durchsagen: „Patronen und Verstärkung schnell 
nach links!“ Dann kamen sie auch schon von Hand zu Hand, die Papp— 
kartons mit den Ladestreifen. Und wieder pfefferten wir dazwischen, daß 
die Luft nach Pulver roch, und daß man taub hätte werden können. 
Endlich kamen auch Verstärkungen, aber zu wenig, um die Umfassung 
zu hindern; der Gegner wurde immer zahlreicher und schob sich im 
Schutze der Dunkelheit immer näher.
	        
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