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20 „O Freund!“ rief einer von den Höhen,
„Der Weg zu uns ist nicht so leicht zu gehen.
Der Berg ist steil und mühsam jeder Schritt,
Und du nimmst dir noch eine Bürde mit?
Vergiß das Obst, das du zu dir genommen,
25 Sonst wirst du nicht auf diesen Gipfel kommen.
Steig leer, und steig beherzt, und gib dir alle Müh';
Denn unser Glück verdienet sie.“
Er stieg und sah empor, wie weit er steigen müßte.
Ach Himmel! ach! es war noch weit.
30 Er ruͤht' und aß zu gleicher Zeit
Von seiner Frucht, damit er sich die Müh' versüßte.
Er sah hald in das Tal und bald den Berg hinan;
Hier traf er Schwierigkeit und dort Vergnügen an.
Er sinnt. Ja, ja, er mag es überlegen:
85 „Steig,“ sagt' ihm sein Verstand, „bemüh dich um dein Glückl“
„Nein,“ sprach sein Herz, „kehr in das Tal zurüch
Du steigst sonst über dein Vermögen;
Ruh etwas aus und iß dich satt
Und warte, bis dein Fuß die rechten Kräfte hat!“
40 Dies tat er auch. Er pflegte sich im Tale,
Entschloß sich oft, zu gehn, und schien sich stets zu matt;
Das erste Hindernis galt auch die andern Male.
Kurz, er vergaß sein Glück und kam nie in die Stadt. — —
Dem Jüngling gleichen viele Christen.
*Sie wagen auf der Bahn der Tugend einen Schritt
Und sehn darauf nach ihren Lüsten
Und nehmen ihre Lüste mit.
Beschwert mit diesen Hindernissen,
Weicht bald ihr träger Geist zurück,
bO Und, auf ein sinnlich Glück beflissen,
Vergessen sie die Müh' um ein unendlich Glück.
837. Sommerlied. Paul Gerhardt,
geb. 1607 zu Gräfenhainichen, war Geistlicher in Berlin und Lübben und starb daselbst 1676
(Aus: Geistl. Lieder von Wackernagel. Stuttgart II. S. 48.)
1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud 4. Die Glucke führt ihr Völklein aus
In dieser lieben Sommerzeit Der Storch baut und bewohnt sein Haus
An deines Gottes Gaben; Das Schwälblein speist ihr Jungen;
Schau an der schönen Gärten Zier Der schnelle Hirsch, das leichte Reh
Und siehe, wie sie mir und dir Ist froh und kommt aus seiner Höh'
Sich ausgeschmücket haben. Ins tiefe Gras gesprungen.
2. Die Bäume stehen voller Laub, 5. Die Bächlein rauschen in dem Sand
Das Erdreich decket seinen Staub Und malen sich und ihren Rand
Mit einem grünen Kleide. Mit schattenreichen Myrten;
Narzissus und die Tulipan, Die Wiesen liegen hart dabei
Die ziehen sich viel schöner an Und klingen ganz von Lustgeschrei
Als Salomonis Seide. Der Schaf und ihrer Hirten.
3. Die Lerche schwingt sich in die Luft 6. Die unverdroßne Bienenschar
Das Täublein fleugt aus seiner Kluft Fleugt hin und her, sucht hier und dar
Und macht sich in die Wälder; Ihr' edle Honigspeise;
Die hochbegabte Nachtigall Des süßen Weinstocks starker Saft
Ergötzt und füllt mit ihrem Schall Kriegt täglich neue Stärk' und Kraft
Berg, Hügel, Tal und Felder. In seinem schwachen Reise.