Full text: Oldenburger Volksschullesebuch für Oberklassen

Indessen, weil er seit Tagesanbruch auf den Beinen gewesen war, begann er 
müde zu werden; auch plagte ihn der Hunger, da er allen Vorrat auf einmal 
in der Freude über die erhandelte Kuh aufgezehrt hatte. Er konnte endlich 
nur mit Mühe weitergehen und mußte jeden Augenblick Halt machen; dabei 
drückten ihn die Steine ganz erbärmlich. Da konnte er sich des Gedankens 
nicht erwehren, wie gut es wäre, wenn er sie gerade jetzt nicht zu tragen 
brauchte. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen geschlichen; da 
wollte er ruhen und sich mit einem frischen Trunk laben. Damit er aber die 
Steine im Niedersitzen nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich auf 
den Rand des Brunnens. Darauf setzte er sich und wollte sich zum Trinken 
bücken; da versah ex's, stieß ein klein wenig an, und beide Steine plumpten 
hinab. Hans, als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen, 
sprang vor Freuden auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Thränen in 
den Augen, daß er ihm auch diese Gnade noch erwiesen und ihn auf eine so 
gute Art, und ohne daß er sich einen Vorwurf zu machen brauchte, von den 
schweren Steinen befreit hätte; das sei das einzige, was ihm noch hinderlich 
gewesen wäre. „So glücklich wie ich,“ rief er aus, „giebt es keinen Menschen 
unter der Sonne!“ Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er 
nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war. J. u. W. Grimm. 
9. Morgenlied. 
1. Die Sterne sind verblichen 
Mit ihrem güldnen Schein; 
Bald ist die Nacht gewichen, 
Der Morgen dringt herein. 
2. Noch waltet tiefes Schweigen 
Im Thal und überall; 
Auf frisch betauten Zweigen 
Singt nur die Nachtgall. 
3. Sie singet Preis und Ehre 
Dem hohen Herrn der Welt, 
Der überm Land und Meere 
Die Hand des Segens hält. 
4. Er hat die Nacht vertrieben; 
Ihr Kindlein, fürchtet nichts! 
Stets kommt zu seinen Lieben 
Der Vater alles Lichts. 
HDoffmann von Fallersleben. 
10. Morgenlied. 
1. Wer schlägt so rasch an die Fenster mir 
Mit schwanken, grünen Zweigen? 
Der junge Morgenwind ist hier 
Und will sich lustig zeigen. 
2. „Heraus, heraus, du Menschensohn!“ 
So ruft der kecke Geselle; 
„Es schwärmt von Frühlingswonnen schon 
Vor deiner Kammerschwelle! 
3. Hörst du die Käfer summen nicht? 
Hörst du das Glas nicht klirren, 
Wenn sie, betäubt von Duft und Licht, 
Hart an die Scheiben schwirren? 
4. Die Sonnenstrahlen stehlen sich 
Behende durch Blätter und Ranken 
Und necken auf deinem Lager dich 
Mit blendendem Schweben und Schwanken. 
5. Die Nachtigall ist heiser fast, 
So lang' hat sie gesungen; 
Und weil du sie gehört nicht hast, 
Ist sie vom Baum gesprungen. 
6. Da schlug ich mit dem leeren Zweig 
An deine Fenssterscheiben: 
„Heraus, heraus in des Frühlings Reich! 
Er wird nicht lange mehr bleiben.“ 
W. Muüller. 
. Morgensegen. 
Das walte Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! Amen. 
Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesum Christum, deinen 
lieben Sohn, daß du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gesahr behütet
	        
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