560 XXV. §. 1. Umschwung in der Sinnesweise der Völker.
UM mit gewagten und gewinnbringenden Versuchen die Leere auszufüllen,
welche die salzlos gewordene Religion bei ihnen zurückließ. Da tha-
ten sich auch die Pforten weit auf, hinter welchen der Herr bis dahin
die fremden Welttheile verschlossen gehalten hatte, und die Neugier,
die Gewinnsucht, der Unternehmungsgeist stürzten über die Goldlän¬
der Amerika's, über die reichen Culturländer Indiens, wie über eine
lang verspürte Beute her. Noch einmal nahm der hin und her flu-
thende Strom des geistigen Lebens und Trachtens eine andere Rich¬
tung. Luther trat auf, die Reformation brach an und ergriff alle
tieferen Gemüther mit einer unwiderstehlichen Gewalt. Nicht minder
erweckte der Gegendruck auch auf der andern, auf der katholischen
Seite einen neuen Eifer, eine geistliche Lebendigkeit und Energie,
welche es wohl wagen konnte, sich auf's Neue mit ihrem übermächti¬
gen Gegner zu messen, ja die ihn zurückschlug und ihm fast die Hälfte
des eroberten Gebietes wieder entriß. Nun war auch das vorbei.
Dem Platzen der Geister und dem Kämpfen der Arme wider einan¬
der war Stillstand geboten. Man hatte erkannt, daß auch das lang¬
wierigste und angestrengteste Ringen zu nichts führe; man war deS
Ringens müde geworden. Wollte man ferner mit einander leben,
Katholik und Protestant, Lutheraner und Calvinift, so mußten die geist¬
lichen Interessen wieder mehr in den Hintergrund treten. Man mußte
an dem Nachbar dulden, was man im eignen Hause nie geduldet
hätte, die Zunge war gebunden, so wie die Rede auf kirchliche Dinge
kam. Und sollten nicht in der Gemeinde, in den unstudirten Leuten,
sich Stimmen genug erheben, die da fragten: ob denn nicht auch der
Nachbar mit seinem anderslautenden Bekenntniß selig werden könne?
Und wenn daS, so war ja das Bekenntniß und die Form des Got¬
tesdienstes am Ende gar nicht so wesentlich, so brauchte man um
diese Dinge gar so ängstlich nicht zu sorgen. Man sieht wohl, nur noch
ein kleiner Schritt, so ist schon der Unglaube da. Zunächst aber
folgte auf die Religionskämpfe noch nicht der Unglaube, sondern nur
erst Duldsamkeit und Gleichgültigkeit. Das Gemüth aber, von dieser
Seite nicht mehr so ausschließlich in Anspruch genommen, wendet so¬
fort sich wieder anderen Dingen zu, den Dingen dieser Welt.
In allen emporftrebenden Staaten der letzten zwei Jahrhunderte,
also besonders in Frankreich, Brandenburg - Preußen und England,
finden wir den Grundsatz befolgt, daß Wohlstand der Unterthanen
das Mittel sei, den Staat zu heben, daß Reichthum an baarem Gelbe
die Hauptquelle des Wohlstandes sei, und daß solcher Reichthum her¬
beigeführt werde durch Förderung des Handels, durch Errichtung von