Jeder Tag, war er vergebens,
Ist im Buche meines Lebens
Nichts, ein unbeschriebnes Blatt.
Wohl denn! Morgen so wie heute
Steh’ darin auf jeder Seite
Fon mir eine gute That!
Christian Felix Weise.
76*. Die Grille und die Ameise.
Eine faule Grille sang
Einen ganzen Sommer lang
Und war immer ohne Sorgen
Für den andern Morgen.
Weil der Sommer Nahrung hat,
Wurde sie auch täglich satt;
Aber als der Winter kam
Und der Flur das Leben nahm,
Da trieb sie der Hunger hin
Zu der Emse : ,,Nachbarin,
Ich bin hungrig; gib mir doch
Ein klein wenig nur zu leben!
Deine Kammer hat ja noch
Grossen Vorrat, und ich will
Alles gern dir wiedergeben
Mit den Zinsen im April.“ —
,,Schwesterchen, wie brachtest du
Deine Zeit im Sommer zu ?" —
„Nachbarin, du weifst’s ja wohl:
Ich, die Freundin vom Apoll,
Sang beständig; hast du mich
Nicht vernommen? Und konnt’ ich,
Schwesterchen, ivas Bess’res thun?“ —
„Grillchen, nein! Doch tanze nun!“
Johann Wilhelm Ludwig Gleim.