Full text: Anthologie mittelalterlicher Gedichte

VIII Einleitung. 
französischen Dichtungen so zu bearbeiten, daß sie in höfischer 
Gesellschaft vorgelesen werden konnten. Der Herzog von Bahern, 
Heinrich der Slolze, aus dem Geschlecht der Welfen, veranlaßte 
kurz nach 1130 seinen Kaplan Konrad, die in Frankreich weit 
verbreitete Erzählung von Rolands Kampf gegen die Heiden im 
Tale von Ronceval (Ohanson de Roland) zu übersetzen, und 
gleichzeitig erzählte der Pfaffe Lamprecht, ein Rheinfranke, 
ebenfalls nach französischer Vorlage die wunderbare Kriegsreis⸗ 
Alexanders di Gr. nach Asien. Wer die Riller lennten von den 
Pfaffen und von den volkstümlichen Spielleuten, welche die alten 
Heldengestalten im Volksbewußtsein lebendig erhielten, aber auch 
dem Geschmack an der orientalischen Mardenwelt in Gedichten 
vom Herzog Ernst oder vom König Rother Rechnung trugen, 
und bald wagten es einige, mit jenen in Wetlbewerb zu treten. 
Eilhart von Oberge, ein Dienstmann Heinrichs des Löwen, 
eignete sich die Geschichte von Tristan und Jsolde an und en 
niederxheinischer Rittler, Heinrich von Veldeke, der Verfasser 
einer AÄneide, entzückte seine Zuhbrer durch eine reine, sauber 
ausgearheitete Form und durch anmutige Schilderung des 
Seelenlebens. Er ist der Vorläuͤfer der drei großen höfischen 
Epiler, die um die Wende des Jahrhunderts tätig waren Sie 
dichten gleich den bisher Genannten in der mittelhochdeutschen 
Sprache und bedienen sich des Reimpaars, vierfach gehobener 
Verse mit paarweisem Reim. 
Hartmann von Aue war ein Schwabe und Dienstmann 
der Herren von Aue. Er ist gegen 170 geboren, hat an dem 
n n von 1197 teilgenommen und ist zwischen 1216 
und 1220 gestorben. Er besaß Bildung: in der Klosterschule 
hatte er Lesen und Schreiben gelernt, er verstand Lateinisch und 
etwas Französisch. Er versehlt nicht, dies gebührend hervor 
zuheben (VI, U. Seine epischen Dichtungen sind Erec, Gregor 
auf dem Stein, Der arme Heinrich, Jwein, der Rilleremit dem 
Löwen. Erec und Zwein sind Rilter aus der Tafelrunde des 
Königs Artus, die beiden Gedichte daher Artusromane, Bade 
sind dem französischen Erzähler Chrestien de Trohes nacherzählt. 
Die Sage von Arlus ist költischen Ursprungs, hat sich aber in 
Frankreich verbreitet und dort lilerarische Pflege erhalten. Ntus 
ist ein mächtiger Fürst, der an seinem Hofe die tapfersten Helden 
seiner Zeit versammelt und sie zu alerlei kühnen Taten und 
Abentenern veranlaßt. Eree und Zwein sind solche Helden, 
andere Gawein, Lanzelot. Der arme Heinrich (W ist wahr⸗ 
scheinlich nach einer lateinischen Aufzeichnung gedichtet, die sich 
im Besitz der Familie der Auer befand; gehört br doch aug 
der ritterliche Heinrich, der Held der Erzählung, an Desen
	        
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