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Die adeligen Mädchen kamen gleichfalls an einen Edelhof zur
Erziehung. Auch sie lernten dort höfisches Benehmen, lernten Reiten
und die Falkeujagd; sie wurden aber auch geistig fortgebildet, meist
viel mehr als die jungen Männer. Die Frauen sind nie so hoch geehrt
worden wie in der Blütezeit des Rittertums. Sie vor allem wirkten
für die Verfeinerung der Sitten, hielten auf gute Manieren
und veredelten die Unterhaltung. Die hervorragendsten Dichter sangen
damals ihnen und ihrem Dienste, dem Minnedienst, begeistertes Lob.
3. Die Ritterburg. Die Wohnungen der Ritter, die Burgen,
lagen entweder in der Ebene oder aus Bergen. In ersterem Falle
waren sie durch breite Wassergräben geschützt und hießen darum
Wasserburgen. In letzterem Falle gewährte die Höhenlage
natürlichen Schutz, besonders wenn der Berg steil war; solche Burgen
nennt man Höhenburgen. Im Taunus und im Odenwald waren
sie das Gewöhnliche.
Eine solche Höhenburg wurde an der Stelle, wo der Berg nicht ganz steil
war, auch durch einen Graben geschützt. Hinter diesem erhob sich in beträcht-
licher Höhe die Ringmauer. Über den Burggraben führte die Zug-
brücke; war diese emporgezogen, so verschloß sie die Toröffnung. Durch
das Tor, welches noch durch ein Fallgatter geschirmt war,- gelangte
man in den Burghof. Hier sah mau außer Stallungen und Vor-
ratsräumen die Wohngebäude. Bei größeren Burgen war der Hof
so geräumig, daß man darin Ritterspiele abhalten konnte. In der
Mitte stand das Herrenhaus, gegenüber die Kemnate, das Frauen-
haus; auch eine Küche und Wohnungen für die Dienerschaft waren vor-
Händen. Das wichtigste Gebäude war der Bergfried, der höchste
Turm der Burg. Drang der Feind in die Feste ein, so blieb den
Belagerten immer noch die Flucht in den Bergfried übrig. Der Eingang
befand sich hoch über dem Erdboden, so daß man nur auf einer Leiter zu
ihm gelangen konnte, welche nachher emporgezogen wurde. Der untere
Teil des Turmes, das Burgverließ, diente als schauriges Gefängnis
für gefährliche Feinde.
3. Ein Tag auf der Burg. In gewöhnlichen Zeiten verläuft das
Leben auf der Burg einförmig. Der Wächter auf dem Bergfried
verkündet am frühen Morgen durch den Ruf seines Hornes den an-
brechenden Tag. Nun wird es im Burghofe lebendig: Dienstmannen
und Knappen gehen an ihr Tagewerk; aus dem tiefen Burgbrunnen
im Hofe, der wohl bis zur Sohle des Flusses hinabreicht, wird
Wasser emporgewunden und mit ihm das Vieh versorgt. Inzwischen
haben sich auch die andern Burgbewohner erhoben, und nach dem Früh-
stück ziehen alle in die Burgkapelle, um der Messe beizuwohnen,
die der Burgkaplan liest. Darauf macht der Burgherr einen Um-
gang, um die Knechte und Knappen bei ihrer Arbeit zu besichtigen,
oder er mustert sein Waffenzimmer, während die Burgfrau im
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