Full text: Aus dem Reiche neuster Dichtung

56 Hennie Rachs 
BHennie Racho 
geb. den 15. August 1876 in Hamburg, dort gest. den 18. Juni 1906. 
Nachtlied. 
Alles schlummert.. 
Blumen träumen 
ihren unschuldsvollen Traum; 
in den Bäumen 
regt ein Blatt sich kaum. 
Wie ein Ahnen, wie ein Wähnen 
leis die Nacht erscheint, 
und der Tau, das sind die Tränen, 
die sie still geweint. 
Ach sie weint, die Nacht, die holde, 
dunkel ist ihr Blick, 
weiß ja nichts vom Sonnengolde, 
nichts vom Tag, vom Glück. 
Sterben. 
Schwarz steht der Forst, und düster ragen Stämme 
aus feuchtem Boden hoch und starr empor; 
nur ab und zu ein sanfter Windhauch säuselt, 
und leise raschelnd fällt ein dürres Blatt. 
Sonst Ruhe rings — es schweiget alles Leben, 
der weiße Nebel spinnt ein Totenkleid; 
der Kampf ist aus. Mit tausend wilden Stürmen 
hat die Natur sich trotzig noch gewehrt; 
nun hat der Winter ihre Kraft gebrochen, 
und träger Schlummer folgt dem heißen Kampf ... 
so tret' ich ein in deine stille Halle 
und bitt' um ein Asyl für meinen Leib: 
nimm ihn zurück, den Staub, den du geboren, 
und teile deinen Winterschlaf mit ihm! 
In deine Hände lege ich das Wunder, 
das ich gefühlt und niemals doch begriff: 
das Leben, das ich wissend in mir trage, 
das dir entstammt, — das Leben nimm zurück!
	        
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