Full text: Aus dem Reiche neuster Dichtung

Karl Woermann. 
2. Verborgen singst du dein wonniges Lied, 
umdämmert von nächtlicher Hülle, 
wie ein Sänger, der still sich den Menschen entzieht, 
beseligt durch eigene Fülle. 
3. Vielleicht, wenn einer vorübergeht, 
wenn er höret die Töne rauschen, 
daß er träumend verloren im Dunkel steht, 
dich zu suchen, zu horchen, zu lauschen. 
4. Vielleicht, wenn er kehret zur Kammer zurück, 
daß er spricht: wie ist mir geschehen? 
Meines Herzens Dunkel, mein Leid und mein Glück, — 
dieser Fremdling ließ mich's verstehen. 
Karxl Woermann 
geb. den 4. Juli 1844 in Hamburg, lebt in Dresden. 
Das Meer ein Friedhof. 
1. Ein Friedhof ist das Meer. 2. Grabhügel ohne Zahl, 
Da ruht ein ganzes Heer doch ohne Kreuz noch Mal, 
von Männern, Frauen, Knaben; das sind die grünen Wellen; 
Christ, Jud' und Türk und Heid', sie wallen auf und ab, 
sie liegen Seit' bei Seit' sie wechseln oft ihr Grab, 
beisammen dort begraben. sie sinken, und sie schwellen. 
3. Mitleidig sieht der Wind, 
wie öd' die Gräber sind 
in seinem kalten Tosen; 
drum pflanzt mit Klaggestöhn 
er auf die Wellenhöhn 
von Schaum die weißen Rosen. 
Leuchtfener. 
1. Undurchdringliche, schwarze Nacht 
ruht auf des Meeres Wellen, 
die wie des dunklen Schicksals Macht 
dunkel das Ufer umschwellen. 
2. Nur auf des Vorgebirges Grat 
schimmert des Leuchtturms Feuer, 
führt dem Schiffer, der einsam naht, 
sicher zum Hafen das Steuer!
	        
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