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Neue Geschichte. 1. Periode. Niederlande. 
oder ein evangelisches Lied gesungen, oder eine Versammlung der 
Evangelischen besucht zu haben, und sogleich war es um seine Frei¬ 
heit geschehen. Wer einmal in den Schlund der Inquisition fiel, 
kam nicht wieder heraus. Entweder er mußte im Gefängniß als 
ein lebendig Begrabener seine noch übrigen Lebensjahre öde ver¬ 
trauern, oder er wurde an den Tagen der großen Verbrennung 
mit den übrigen Schlachtopfern zum Scheiterhaufen geführt. Mit 
feierlichem Pompe zog der traurige Zug durch die Gassen nach 
dem Richtplatze. Eine rothe Blutfahne wehte voran, alle Glocken 
wurden geläutet. Voran zogen Priester im Meßgewands und 
sangen ein heiliges Lied. Ihnen folgte der verurtheilte Sünder, 
in ein gelbes Gewand gekleidet, auf welches schwarze Teufels¬ 
gestalten gemalt waren. Auf dem Kopfe trug er eine Mütze von 
Papier, die sich in eine Menschenfigur endigte, um welche Feuer¬ 
siammen schlugen und scheußliche Dämonen flogen. Weggekehrt 
von dem ewig Verdammten wurde das Bild des Gekreuzigten ge¬ 
tragen; denn für ihn galt die Erlösung nicht mehr. So wie sein 
sterblicher Leib den irdischen Flammen, so gehörte seine unsterbliche 
Seele den Flammen der Hölle. Im Munde trug er einen Knebel, 
damit er weder seinen Schmerz durch Klagen lindern und das 
Mitleid der Umstehenden durch Erzählung seines Unglücks wecken, 
noch die Geheimnisse seines ungerechten Processes ausschwatzen 
konnte. Hinter ihm drein gingen die Geistlichen im festlichen 
Ornate, die Obrigkeit und der Adel. Die Väter, die ihn gerichtet 
halten, beschlossen den traurigen Zug. Man glaubte eine Leiche 
zu sehen, die zu Grabe geleitet würde; aber es war ein lebendiger 
Mensch, an dessen langsamen Qualen das Volk sich ergötzen sollte. 
Solche Hinrichtungen wurden gewöhnlich bis zu hohen Festtagen 
aufgespart, und dann viele zugleich vollstreckt. — Diese Inquisition, 
wie sie schon in Spanien und Portugal im besten Gange war, 
wurde nun auch nach den Niederlanden verpflanzt, und dadurch 
wurden alle Bande des Vertrauens aufgelöst. Keiner durfte nun 
noch dem andern trauen; überall fürchtete man einen Lauscher, 
und diese Furcht erschreckte jeden Blick des Auges und unterdrückte 
jedes Wort auf der Zunge. 
Gleich hätten die freisinnigen Niederländer dies scheußliche 
Gericht aus dem Lande gejagt, wenn nicht Philipp das ganze 
Land mit spanischen Soldaten belegt hätte, die jeden Laut des 
Mißvergnügens unterdrückten. Zwar hatten die Niederländer ein 
paar Männer, die sich wohl an ihre Spitze gestellt hätten, aber
	        
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