Gustav Adolfs Page. 75
worfen hatte, kam ihnen nachgesprengt und feuerte ihre
Raubgier zu einer Tat an, von welcher er wußte, daß
sie, von dem Könige vernommen, Gustav Adolf in das
Herz schneiden würde.
Aber dieser sollte den Frevel mit Augen sehen. 5
Mitten in den Tumult — Kisten und Kasten wurden
erbrochen, Rosse niedergestochen oder geraubt, Wehrlose
mißhandelt, sich zur Wehre Setzende verwundet — ritt
der König hinein, zu welchem sich flehende Arme, Gebete,
Flüche, Verwünschungen erhoben nicht anders als zum 10
Throne Gottes. Der König beherrschte und verschob
seinen Zorn. Zuerst gab er Befehl, für die miß—
handelten Flüchtlinge zu sorgen, dann befahl er die ganze
adelige Sippe zu sich auf die neunte Stunde. Heim—
reitend hielt er vor dem Zelt des Generalgewaltigen, 15
hieß ihn seinen roten Mantel umwerfen und — in einiger
Entfernung — folgen.
In dieser Stimmung befand sich König Gustav, als
er die Slavonierin erblicke. Er maß das Mädchen,
deren wilde Schönheit ihm mißfiel, und deren grelle 20
Tracht seine klaren Augen beleidigte.
„Wer sind deine Eltern?“ begann er, es verschmähend,
sich nach ihrem eigenen Namen oder Schicksal zu er—
kundigen.
„Ein Hauptmann von den Kroaten; die Mutter starb 26
früh weg,“ erwiderte das Mädchen, mit ihren dunkeln
seinen hellen Augen ausweichend.
„Ich werde dich deinem Vater zurücksenden,“ sagte er.
„Nein,“ antwortete sie, „er würde mich erstechen.“
Eine mitleidige Regung milderte die Strenge des 30
Königs. Er suchte für das Mädchen einen geringen
Straffall. „Du hast dich im Lager in Männerkleidern
umgetrieben, dieses ist verboten,“ beschuldigte er sie.
„Niemals,“ widersprach die Corinna aufrichtig ent—
rüstet, „nie beging ich diese Zuchtlosigkeit.“
Deutsche Prosa. IV.
3h