Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

Gustav Adolfs Page. 89 
Kanonen getummelt. Er wollte sich einen freundlichen 
Verweis des Königs zuziehen, doch dieser blieb aus. 
Wieder nahm das Gespräch eine unbefangene Wendung, 
und jetzt schlug die zehnte Stunde. Da hob Guslav mit 
einer zerstreuten Gebärde den Handschuh aus der Tasche 6 
und ihn betrachtend sagte er: „Dieser ist nicht der meinige. 
Hast du ihn verloren, Unordentlicher, und ich ihn aus 
Versehen eingesteckt? Laß schauen!“ Er ergriff spielend 
die linke Hand des Pagen und zog ihm das weiche Leder 
über die Finger. „Er sitzt,“ sagte er. te 
Der Page aber warf sich vor ihm nieder, ergriff 
seine Hände und überströmte sie mit Tränen. „Lebe 
wohl,“ schluchzte er, „mein Herr, mein alles! Dich behüte 
Gott mit seinen Scharen!“ Dann jählings aufspringend, 
stürzte er hinaus wie ein Unsinniger. Gustav erhob sich, 16 
rief ihn zurück. Schon aber erklang der Hufschlag eines 
galoppierenden Pferdes und — seltsam — der König 
ließ weder in der Racht noch am folgenden Tage Nach— 
forschungen über die Flucht und das Verbleiben seines 
Pagen anstellen. Freilich hatte er alle Hände voll zu 20 
tun; denn er hatte beschlossen, das Lager bei Nüremberg 
aufzuheben. 
Leubelfing hatte den gestreckten Lauf seines Tieres 
nicht angehalten, dieser ermüdete von selbst am äußersten 
Lagerende. Da beruhigten sich auch die erregten Sinne 25 
des Reiters. Der Mond schien taghell, und das Roß 
ging im Schritt. Bei klarerer Überlegung erkannte jetzt 
der Flüchtling im Dunkel jenes Ereignisses, das ihn von 
der Seite des Königs vertrieben hatte, mit den scharfen 
Augen der Liebe und des Hasses seinen Doppelgänger. 30 
Es war der Lauenburger. Hatte er nicht gesehen, wie 
der Gebrandmarkte die Faust gegen die Gerechtigkeit des 
Königs geballt hatte? Besaß der Gestrafte nicht den 
Scheinklang seiner Stimme? War er selbst nicht Weibes 
genug, um in jenem fürchterlichen Augenblicke die Klein- 36
	        
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