Nur nach der Welt zu stoßen wir allerseits au Mauern, und das ist
gut; nichts hemmt dagegen den Aufschwung und das Sichversenken.
Die beständige Übung des Sichversetzens in die Lage unserer Kranken
öffnet die Sinne für so manches, was uns sonst unverständlich bliebe.
Es gibt abstoßende Menschen, in die man sich nicht ganz hineinversetzen
kann, die man aber doch verstehn muß, wenn man sie recht pflegen
will; auch sie haben Menschen, denen sie teuer sind; diese werden
gerade das finden, was ich nicht finden konnte, und indem ich sie gleich¬
sam durch die Seele ihrer Lieben betrachte, finde ich oft ein Verständnis,
wo ich es gar nicht erwartet hätte." Und ein andermal: „Im Dienst
der Kranken und der Elenden springen Quellen innern Glücks, von
beiten niemand weiß, der solchen Dienst niemals geleistet hat. Tie
stille Heiterkeit kommt davon, die wie der Widerschein eines ver¬
borgenen Lichts auf den Gesichtern der Schwestern liegt. Die äußere
Heiterkeit, die ihr bewundert, fließt aus derselben Tiefe. Eure Welt¬
weisen nennen den Humor das Lächeln des Herzens, das verwundet
ist. Aber die Verwundung ist gar nicht nötig. Welchem Soldaten
müßte man erst sagen, daß auf Kamps und Sieg die Freude einer
gehobenen Stimmung folgt? Wenn das Verzagen niedergerungen
ist, wallt der Lebensmut hoch auf. Wir kämpfen gegen uns selbst,
reißen uns von unserm eignen Ich los, das uns niederzieht, und
dieses Loskommen von sich selbst stärkt zu Werken der Demut, die
beseligen. Was im gewöhnlichen Leben die Stimmung trübt: Emp¬
findlichkeit, Ärger, Eitelkeit, Ekel gibt es da nicht. Die Aufgaben,
die wir uns setzen, hören nie aus, sie ziehn das Schifflein unsers
Lebens durch die Flut der Zeit, die Wellen rauschen so frisch und hell
daneben auf, kein Augenblick ist bei solchem Wandel zu verlieren, jeder
hat seinen Zweck, seine Ausgabe. Das Aufsichbesinnen führt zu nichts.
So muß unser Leben beschaffen sein, daß sich eine Forderung des
Augenblicks an die andre reiht und in dieser Kette keine Lücke bleibt,
durch die du eineil Blick in das Rätsel deiires Daseins gewönnest.
Besinne dich auf dein Tagwerk, das reicht aus."
Zu meinem Kameraden, den: Theologen in: Waffenrock, den der
Kriegssturm aus dem Halleschen Hörsaal bis vor Paris verweht hatte,
lutb der als Typhusrekonvaleszent zurückgesandt worden war, sagte eine
Schwester über ihren Dienst: „Der Töchter natürliche Dienststättc ist
das Elternhaus, sie können nur einen viel schwereren Diellst antreten,
wenn sie dieses verlassen; denn in der rechten Dienstbarkeit gibt es
nur ein Avancement zu beit größern Lasten. Das ist freilich auch
immer ein Fortschritt zu größerer Zufriedenheit und mehr innerer
Klarheit. Wenn sich das Äuge der weltlichen Gewohnheit entäußert
hat, beständig zwischen groß und klein zu unterscheiden, und nun
immer das Große im Kleinen sieht, hat die Welt keinen Reiz mehr für