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sein. Immerhin war das Land noch nicht so verarmt, daß nicht bedeutende Vorräte
an Lebens-⸗ und Futtermitteln, Vieh, Leder und Spiritus für uns hätten nutzbar
gemacht werden können.
3. Von besonderem Wert war in wirtschaftlicher Hinsicht natürlich die Einnahme
des großen Handelshafens Libau. In den Speichern dort haben wir ansehnliche
Mengen von Exportwaren gefunden, die uns sehr zustatten kamen und den Störungs⸗
versuchen der russischen Kleinmarine zum Trotz munter nach Deutschland befördert
werden. An Schanz- und Werkzeugen fand sich der Bedarf für eine ganze Armee.
Die Fabrik, in der es hergestellt war, wird von der deutschen Verwaltung weiter—
betrieben; ebenso werden in Libau jetzt für unser Heer angefertigt: Ketten, Be—
schläge, Stacheldraht. Eine Sattlerei und eine Gerberei sind im Gange, schließlich
eine große Meierei zur Versorgung der armen Bevölkerung mit Milch. So leisten
die Deutschen auch hier oben eine vorzügliche Verwaltungsarbeit, die sich selbst
auf das Finanzwesen erstrecken muß, das infolge der mangelhaften Vorsorge der
russischen Regierung am völligen Zusammenbruch war. Die Stadt Libau hat
Anweisungens ausgegeben, die als Zahlungsmittel dienen. Der Stadt ist keine
Zwangszahlung auferlegt worden; sie hat nur Verpflegungszuschüsse an die ein⸗
quartierten Truppen zu zahlen. Diese werden für ihr kräftiges Zufassen und
ihre Mühen hübsch belohnt. Sie haben wohl von allen Truppen im Osten das
angenehmste Leben. Libau ist eine ansehnliche Stadt und ein prächtiger Badeort
mit vornehmen Villenstraßen, schönen Anlagen und herrlichem Strande. Die
Russen, zumal die Beamten, sind meist geflohen.
4. Alein der Einfall in Kurland hat uns nicht nur wirhschaftliche Vorteile
mannigfacher Art gebracht und ein wertvolles Stück Rußlands in die Hand gegeben,
sondern er hat auch militärisch den bedeutenden Erfolg erzielt, daß der Gegner
veranlaßt wurde, starke Kräfte dorthin zu werfen und dadurch seine Front an
anderen Stellen zu schwächen. Die Zusammenstöße der deutschen und der russischen
Kräfte an der Dubissa-Linie haben unter vielfachen, blutigen Kämpfen stattgefunden.
Dabei sind unsere Truppen allmählich von der Verteidigung, die mit starken Gegen—
stößen geführt wurde, zum Angriff übergegangen und haben die Russen über die
Dubissa zurückgeworfen.
Aus dem Bericht des Großen Hauptquartiers vom 18. Juni 1915 an Wolffs
Telegraphen⸗Bureau: „Neues von der Tätigkeit Hindenburgs.“
7. Mit der Flotte gegen Libau.
An Bord S. M. S. .., den 8. Mai 1916.
Eif Uhr nachts im Hafen von Memel. Man kann nicht die Hand vor Augen
sehen. Alle Schiffe liegen mit abgeblendeten Lichtern, die Molen und Uferstraßen
haben kein Licht. Man stolpert über Schienen und Taue vorwärts. In ein paar
Stunden geht das Motorboot S... ab, das letzte Boot, das mich zur Flotte bringen
kann. Endlich heben sich Schornstein und Maste des Schifses über der Ufermauer
ab, und der lange, schmale Schiffskörper ist undeutlich zu erkennen. Der Landungs—