Full text: Erlebnisse und Darstellungen aus dem Jahre 1915 ([Heft 2], [Schülerband])

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steg liegt noch, es wird Mundvorrat übernommen. Hinüber! Der Kommandant des 
Torpedobootes, Kapitänleutnant, bringt uns zu der kleinen Messe; wir legen die 
paar Kleinigkeilen, die wir in der Hand halten, ab und gehen an Deck. Der Landungs⸗ 
steg wird eingezogen. Mit langsamer Fahrt rückwärts löst sich das Boot vom 
Lande. Noch sieht man die schweren Umrisse des Panzerzuges, der auf dem Gleise 
steht. Dann hat die Dunkelheit das Land verschluckt. Am Schornstein des Bootes 
glühen ein paar Lichtsignale auf, dann fahren wir vorwärts. Ein Zittern geht 
durch den Schiffskörper; wir gehen mit voller Fahrt in die offene See. Das grüme 
Licht der Außenmole verschwindet. Wir sind auf offenem Meer. 
Um 2 Uhr sollen wir das Geschwader, das an geschützter Stelle verankert liegt, 
erreichen. Wir sausen durch die Nacht; ein leuchtender Sternenhimmel spannt 
sich über die Ostsée, allmählich lernt man sehen. Auf der Kommandobrücke 
leuchtet in mattem, wie phosphoreszierendem Licht nur das Kompaßgehäuse. 
Wir laufen über 24 Knotend, die mächtigen Maschinen arbeiten mit aller Kraft. 
Im Osten flammt eine dunkelrote Wolke auf, der Widerschein der aufgehenden 
Sonne. Um 2 Uhr ist es hell, das Geschwader taucht auf. Das Torpedoboot geht 
längsseits des Admiralschiffes. Der Mmiral bestimmt unsere Verteilung. Bitte 
klarmachen zum Übersteigen!“ Ich komme an Bord eines Kreuzers. In dem 
Augenblick, da sich die Bordwand des Torpedobootes hebt, fasse ich die Griffe der 
Leiter und turne an der schwarzgrauen Wand empor. 
2. An Vord des Kreuzers ist alles gefechtsklar. Ehe ich mich dem Kommandanten 
noch vorgestellt habe, rasseln die Anker hoch. Der Erste Offizier teilt mir mit, daß 
russische Kreuzer gesichtet worden seien, oben im nördlichsten Teil der Ostsee. Ich 
melde mich kurz. Das Schiff fährt eben in die ausgebojte 10 Fahrrinne. Den Minen⸗ 
suchbooten gehl es ein wenig wie den Kolonnen des Landheeres. Sie haben die 
schwere Arbeil, aber der Glanz des Gefechtes ist nicht über ihrem stillen Wirken, 
neben dem täglich der Tod steht. Ohne ihre Leistung, die in diesem Falle wirklich 
nicht Hein war, da die völlig minenverseuchte Straße nach Libau freizumachen 
war, wäre eine Tätigkeit der Flotte überhaupt nicht möglich; aber später, wenn 
die Kanonen sprechen, treten die lleinen Minensucher bescheiden zurück. 
In der Offiziersmesse sind die Bilder, die Uhr, alles Bewegliche von Wänden 
und Tischen entfernt. Tapeten gibt es selbstverständlich schon lange nicht mehr, 
selbst die Olfarbe ist an den meisten Stellen entfernt. Der Schiffsarzt gibt mir 
eine Mullbinde mit Wattebausch, die beim Gefecht über das Gesicht zu ziehen ist 
wegen der giftigen Gase, die von den Brandgranaten entwickelt werden. „Schwimm⸗ 
westen erst im letzten Augenblick aufblasen; man kommt sonst schlecht aus den 
Räumen!“ In Kiellinie folgt das Geschwader dem Flaggschiff; in regelmäßigem 
Abstand bilden die Torpedoboote einen Schleier nach der See zu. Es geht in voller 
Fahrt, denn die Flottenunterstützung ist der Landarmee für die ersten Morgen— 
stunden zugesagt. 
Nach zweistündiger Fahrt tauchen die Umrisse von Libau auf, schattenhaft 
dunkelgrau, bald deutlicher die Kirchen und Türme. Wir fahren trotddem in voller 
Fahrt weiler, da die Aufklärungskreuzer immer noch hoffen, daß sich die russisch—
	        
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