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unsere Abteilung zu folgen hatte, in Richtung des Kurhauses in der Nähe der
scheinbar unbesetzten Batterien am Südstrande. Man erkannte deutlich den
schönen, weißen Badestrand, die Anlagen, das Kurhaus und schräg davor einen
ziemlich steilen, grünen Wall. „Dei scheeten wohl gor nich, die Russen?“ fragte
ziemlich enttäuscht der Amerika-Fahrer. „Gewehre schußfertig, bereit zur Lan—
dung!“ befahl der Leutnant zur See, der die Abteilung führte, und zog den Revolver.
Wir waren jetzt etwa 300 Meter vom Strande. Da prasselte es los. Ich unter—
schied deutlich den trockenen Ton eines Maschinengewehres: Teck, teck, teck.
dazwischen kräftiges Schnellfeuer von Infanterie. Die Geschosse schlugen ein
paar Meter von unserem Boot ein. „Dat gift dicke Luft“, sagte der Maat am
Steuer. Wir suchten abzuschwenken, gleichzeitig legte sich ein Torpedoboot dicht
an den Strand und fing an zu funken. Dann sauste es über unsere Köpfe;
der kleine Kreuzer hinter uns fing an, die Linie mit Granaten zu belegen. Gleich
der zweite Schuß schien in der Schanze zu sitzen. Die Aufgabe, die russischen Ver—
teidigungsmittel aufzuklären, war erfüllt; wir kehrten zurück.
6. An Vord unseres Kreuzers war man inzwischen feuerfertig, und auf 8000 Meter
wurde der erste Schuß auf die Nordwerke nach Verabredung mit der Landarmee
gelöst. Ich habe sehr große deutsche Landgeschütze und auch die österreichischen
Motormörser im Feuergefecht gehört; hier auf dem Schiffe war die Schallwirkung
von ganz anderen Maßen. Man dachte, trotz der Wattestopfen in den Ohren, das
Trommelfell müsse springen, und der Feuerstrahl schien dicht neben einem auf—
zuflammen trotz der Entfernung von zwei Meter. Der Kreuzer, auf dem ich stand,
hatte die stärkste Bestückung!4 des hier angesetzten Teils der Ostseeflotte. Das Schiff
zitterte, wenn die Riesenrohre sprachen, und ich konnte mir eine Vorstellung von
einer Seeschlacht machen, wenn ich zu diesem Riesengetöse mir dachte, daß nun
die bis achtzig Meter hohen Wassersäulen, die die Granaten des feindlichen Schiffes
aufwarfen, dazu über Bord schlügen oder einer der Riesenzuckerhüte Brand und
giftige Gase über das Deck ausbreitete.
Schuß auf Schuß rollte nach den russischen Nordstellungen. Man sah die
schwefelgelben Wolken beim Einschlag aufsteigen; vom Ausguck konnte man sehen,
wie die alten Bäume der Waldstrecke, die unter Feuer stand, wie Streichhölzer
zerbrachen und ganze Strecken entwurzelt wurden. Ich weiß nicht, wie die tat—
sächliche Wirkung dieser Beschießung im einzelnen war; die moralische Wirkung
muß ganz gewaltig gewesen sein. Am nächsten Morgen kam dann auch die Tele—
funkenmeldung von den Landkräften, daß dank der tatkräftigen Unterstützung der
Flotte Stadt und Festung Libau in deutschem Besitz wären.
Rolf Brandt. (Der große Vormarsch 1915. Kriegsberichte von der Nordostfront. — Gelürzt.)
Gerlag von Egon Fleischel & Co., Berlin.)
8. Bei Hindenburg.
1. Das erste Mal habe ich Hindenburg, damals noch General von Hindenburg,
nach der Schlacht bei Tannenberg in Osterode gesehen. Der Sieger saß mit General
Gruenert an einem kleinen Tisch vor dem Fenster; durch die Dmmerung fiel von