Full text: Erlebnisse und Darstellungen aus dem Jahre 1915 ([Heft 2], [Schülerband])

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halte nicht viel davon; man kann nur auf seine eigene Kraft rechnen, nur nach ihr 
den Augenblick des Handelns bestimmen.“ Auf die anschließende Frage, wann 
dann wohl wieder der Zeitpunkt zu neuen Taten gekommen sei, lächelte der Mar— 
schall: „Das kommt eben auf den richtigen Augenblick an. Daß ich und mein 
Generalstabschef da zupacken werden, glauben Sie mir ja wohl!“ 
3. Dann geht das Gespräch weiter: „Abs ich während der Schlacht von Tannen⸗ 
berg zur Beobachtung fuhr, da standen an allen Wegen die Wagenburgen der 
flüchtenden Ostpreußen, die die Feldgendarmen von der Straße hatten weisen 
müssen, damit die Truppen Raum zum Marschieren hatten. Die Armen standen 
da und konnten nicht vorwärts nicht rückwärts. Ich wußte, geht es schief, dann 
sind die Flüchtlinge zwischen den Armeen rettungslos verloren. Das lag mir noch 
in den Schuhen den ganzen Tag. Es waren keine leichten Gedanken. Na, dann 
ging's ja, aber. . Daß Rennenkampf nicht angriff, lag wohl daran, daß er tat⸗ 
sächlich schlechten Erkundungsdienst hatte und starke deutsche Truppenmassen in 
Königsberg vermutete. Er dachte, die Narew-Armee müsse ihren Einmarsch leicht 
allein fertig bringen und sich dann mit ihm vereinigen. Das schwere Verantwor— 
tungsgefühl muß man bei solchem Wagnis schon tragen; Kühnheit und Vorsicht, 
beides muß in guter Mischung dabei sein.“ Das sei aber das Wichtige: die Ruhe 
unter allen Umständen zu bewahren. Sonst gehe das Geschwanke ja immer stärker 
weiter zu den Unterführern. „Ich versuche, die Schlacht so anzusehen, als sei sie 
eine Studie, die ich vorhabe, eine Partie, bei der es sich zeigen soll, wer es besser 
kann.“ Das wiederholte der Marschall noch einmal: „eine Partie, die mit un— 
erschütterlicher Ruhe gespielt sein will.“ Dabei schien von dem Sprechenden das 
Gefühl ruhiger Sicherheit über jeden, der ihm nahe kam, überzugehen. Der 
Eindruck ist so stark, daß das ihn beherrschende Vertrauen, das zum festen Wissen des 
Sieges wird, in jedem hochschlägt. 
4. Auf persönliche Dinge geht das Gespräch weiter, auf die Jagd. „Durch die 
Gnade Sr. Majestät habe ich in vorigem Jahre einen Elch schießen dürfen, ich hoffe 
aber auch noch auf einen Auerstier und auf Wölfe; es sind schon welche, verhört 
worden, so sagen wir Jäger. Es muß ja doch besondere Freude machen, Raubzeug 
zu schießen!“ Hindenburg als Jäger auf russische Wölfe ist dabei ein Bild, das 
sich merkwürdig hübsch zum Vergleich eignet, obschon dem Feldherrn solche Ver— 
gleiche sicher recht fern liegen. „Ja, in die eigentliche Feuerzone komme ich leider 
jetzt nicht mehr,“ sagte der Marschall bei der Besprechung von Granatwirkungen; 
„b6b und 70 habe ich das Sausen oft genug gehört.“ Ein Wjutant bringt die Mappe. 
„Meine Herren, leben Sie wohl! Sie kennen ja wohl schon unsere Abschiedsworte: 
Vicht durchhalten, sondern gründlich siegen! Und schreiben Sie weiter — was 
Sie sehen!“ 
Rolf Brandt. (Tägliche Rundschau vom 20. Dezember 1915, Nr. 645.) 
Hirts Neue Kriegslesestücke.
	        
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